Jenseits des Nils: Roman (German Edition) by Nicole C. Vosseler

Jenseits des Nils: Roman (German Edition) by Nicole C. Vosseler

Autor:Nicole C. Vosseler [Vosseler, Nicole C.]
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: Bastei Luebbe
veröffentlicht: 2012-06-21T22:00:00+00:00


26

Capt. J. Danvers, 1. Batt. R. Sussex, 4. Inf. Brig. Maj. Gen.

Sir Evelyn Wood, Qasr el-Nil

Cairo, den 8. Mai 1884

Liebe Grace,

hab vielen Dank für Deine Glückwünsche zu unserer Beförderung, die ich weitergeben werde an die Lieutenants Norbury, Ashcombe und Digby-Jones und ebenso an Captain Hainsworth. Und wir haben noch eine weitere Auszeichnung erhalten: den Stern des Khediven, eine Spange mit dem Schriftzug »el-Teb« für das Band unseres ersten Ordens.

Natürlich habe ich nicht wirklich geglaubt, Du würdest Dich mit meiner knappen Nachricht zufriedengeben, dass wir beide Schlachten unbeschadet überstanden haben. Das entspräche wahrhaftig nicht der Grace, an die ich mich erinnere. Sieh’s mir bitte nach.

Meine Briefe an Dich müssen Dir gewiss sehr karg und einfallslos vorkommen, vor allem wenn ich mitbekomme, wie viel Stephen Dir und Ada jedes Mal zu erzählen weiß. Abgesehen von meiner äußerst beschränkten Fähigkeit, Eindrücke und Ereignisse in lebendige Worte zu kleiden, widerstrebt es mir zudem, gedanklich länger in el-Teb und in Tamai zu verweilen als nötig. Und auch wenn ich weiß, dass Du niemand bist, der nach besonderer Schonung verlangt, gibt es einfach Dinge, die ich Dir nicht zumuten will. Punkt.

Aber ich fürchte, damit stachle ich Deinen Widerspruchsgeist erst recht an, nicht wahr? (Ist Dein Deutsch schon so gut, dass Du Goethe im Original lesen kannst? Ich bin der Geist, der stets verneint. Sie sind durchschaut, Miss Norbury. Nicht nur vom alten Goethe.)

Dass der Krieg ein blutiges Handwerk ist, wissen wir beide, Grace. Und sowohl el-Teb als auch Tamai zwei Wochen später waren äußerst blutig. Ich könnte Dir nur unzureichend beschreiben, welch ein Anblick es ist, wenn zehntausend dieser Krieger in blinder Raserei auf einen zustürmen und man sich im Kopf unweigerlich ausrechnet, dass mehr als zwei von ihnen auf einen von uns kommen. Und ich kann auch schlecht beschreiben, was man bei dem Gedanken empfindet, dass nur eines gilt: Entweder sie überleben oder wir. Für jeden Feind, der stirbt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehr von uns überleben. Der Soldat, den man befehligt und der einem vertraut, die Vorgesetzten, die anderen Regimenter, der alte Freund und nicht zuletzt man selbst. Das ist das Letzte, woran man noch denkt, dann handelt man nur noch.

Jeremy hielt inne und sah zu Stephen hinüber, der sich tief über den Tisch gebeugt hielt und die Seiten seines Notizbuches mit seiner winzigen Handschrift füllte. Stephen hatte sich in Tamai tapfer geschlagen, tapferer noch als zuvor in el-Teb, und sich seine Beförderung zum Lieutenant verdient, und doch wirkte er seither verschlossener als früher. Als hinge er mit den Gedanken noch immer in den beiden Schlachten fest und als läge das, was ihn daran kettete, zu tief in ihm verborgen, als dass es an die Oberfläche gelangen und er es den Freunden in Worten mitteilen könnte.

Wirklicher Jubel wollte bei uns über beide Siege allerdings nicht aufkommen. Wir haben zu viele Männer verloren, auch wenn drei resp. neun Dutzend gegen mehrere Tausend getötete Feinde wenig erscheinen mag. Zu viele waren es vor allem angesichts der Tatsache, dass beide Schlachten im Grunde sinnlos waren. Osman Digna



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