In der Hölle ist für alle Platz by Manfred Rebhandl

Autor:Manfred Rebhandl [Rebhandl, Manfred]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Czernin Verlags GmbH, Wien
veröffentlicht: 2015-08-27T16:00:00+00:00

Dem Brief war eine mit seinen Daten bereits vorgefertigte Patientenverfügung beigelegt sowie ein Gutschein. Er müsse beides nur noch hier und hier und hier unterschreiben, und dann wäre er praktisch schon Asche.

Ich legte den Brief beiseite und sagte zu Ku: „Aber man kann doch Lemmy nicht einfach so verbrennen! Dafür müsste ein hochspezialisierter Sondermüllofen gebaut werden!“ Einer, der Lemmys ganzes Blei und die anderen Gifte schlucken konnte, die er sich während eines erfüllten Lebens abseits des Mainstreams über die Lungen oder direkt über das Blut zugeführt hat. Ich sagte: „Man kann doch als verantwortungsvoller Mensch nicht einfach die Luft mit Lemmy verpesten!“ Mir ging darüber hinaus aber insgesamt gegen den Strich, dass sich Lemmy verbrennen lassen sollte, denn irgendwie freute ich mich darauf, im Alter jeden Tag zu Lemmys Grab hinauszufahren, denn auch ich würde im Alter eine sinnvolle und regelmäßige Beschäftigung brauchen.

Ich schaute mir den beigelegten Gutschein der Firma FLAME genauer an, mit Lemmys Kundennummer drauf und einer Hotline, die man anrufen konnte, wenn es so weit war. Sie versprachen einem, die Leiche abzuholen, zu verbrennen, und die Urne auf einem eigens angekauften schönen Gelände neben einer Müllhalde irgendwo in Kalabrien zu entsorgen. Ganz unten wurde die Unterschrift des Arztes verlangt, der den Tod bestätigt. Das war’s.

Ich schaute Lemmy an, der abwechselnd seine Schnittlauchlocken und das Telefonkabel zwirbelte, während er den Hörer ans Ohr hielt. Nach jetzigem Stand hatte er also kein Grab mehr, und wie unangenehm es war, mit einer Leiche durchs Leben zu gehen, wusste ich mittlerweile. Aber ich würde ihn auch nicht tage- oder wochenlang hier herunten liegen lassen können, wenn er sich von der nächsten Schnappatmung nicht mehr erholte. Lemmy würde also in Flammen aufgehen müssen, wenn ich nicht rechtzeitig ein schönes Plätzchen Erde für ihn fand. Wenn ich keines fand, dann würde ich ihn mir mitsamt seinem ganzen Blei im Körper um den Hals hängen und uns beide in der Donau versenken.

Wasser war nicht so heiß wie Feuer.

***

Kubelka bat mich zum Tisch, wir nahmen Platz, er tippte auf einen Packen Papier, den er dort liegen hatte, und sagte: „Ich nehme mein Projekt Mann in der Krise wirklich sehr ernst, wie du siehst. Ich habe heute vor, während und nach dem Nachmittagstraining in die Mannschaft von Friss-Gras!-Fritz hineingehört, nur in der Dusche war ich nicht mit ihnen, aber ich habe auch so einiges Interessantes herausgefunden.“

„Nämlich?“

„Die Mannschaft ist natürlich zutiefst verunsichert“, holte er etwas weiter aus. „Wie eine Truppe Pioniere, die motiviert in den äußersten Westen vordringt, dann aber eine Wagenburg bauen muss, weil sie überraschend von Indianerpfeilen beschossen wird. Etwas, was sie noch nie gesehen haben und womit sie schlecht umgehen können. Sprich: ein äußerer Feind bedroht die Truppe.“

Er befeuchtete den Daumen und blätterte damit lässig in seinem Büchlein, dann fand er endlich, was er suchte, und sprach: „Die Verunsicherung geht von ihrem Trainer, dem Anführer selbst, aus, der in einer schweren, einer richtig schweren Midlifecrisis steckt, so wie übrigens viele andere in deiner näheren Umgebung auch.“

Ich sagte: „Ich nicht!“

„Über seine Krise kann auch sein martialischer Name Friss-Gras!-Fritz nicht mehr hinwegtäuschen.

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