Im Regen erwartet niemand, dass dir die Sonne aus dem Hintern scheint by Blöchl Bernhard

Im Regen erwartet niemand, dass dir die Sonne aus dem Hintern scheint by Blöchl Bernhard

Autor:Blöchl, Bernhard [Blöchl, Bernhard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper Verlag
veröffentlicht: 2017-01-19T23:00:00+00:00


13. 9. 1990 – Seit Wochen geht das jetzt schon so. Ich robote durch den Alltag, und schuld daran bist du! Wir haben uns eine Parallelwelt erschaffen, in der mich die Schwerkraft immer wieder in deine Umlaufbahn schleudert und wie in Trance kreisen läßt. Mir ist schon ganz schwummerig, alles ist außer Kontrolle. Ich habe das Denken eingestellt, das Grübeln und Hadern. Das Treibenlassen tut so gut. In unserer Welt gibt es nur uns, alles andere ist banal. Keine nörgelnden Freundinnen, keine nervigen Eltern, keine Magenkrämpfe, nur Herzklopfen, Küsse und Sex. Vor allem Sex, was machst du nur mit mir? Du bist so anders als Holgi, irgendwie glühender (stärkeres Wort dafür finden!). Ich hätte nie gedacht, daß mir so was mal passiert! Ich hätte das alles nicht gedacht. Ich meine, eine Hütte am Sportplatz im Wald, hast du das geplant? Wahrscheinlich hast du auch den Regen arrangiert, du hinterlistiger Schuft! Auf einem klapprigen Liegestuhl ist es dann passiert, unser erstes Mal. Der Schauer prasselte gegen das Fenster, es gab keine Heizung, aber wir waren heiß.

Wenn ich das so schreibe, liest es sich wie Kitsch hoch zehn, aber angefühlt hat es sich wie Ekstase hoch zehn. Aber nicht sofort: Beim ersten ersten Mal warst du zu nervös. Ich finde das ja süß, umso magischer war der Moment. Die ewigen Blicke, das ewige Küssen, das ewige Atmen. Und keine Erlösung. Unsere Körper so nackt und empfindsam, Hände überall. Jetzt weiß ich, welche Dimensionen Zärtlichkeit haben kann. »Liebestuhl« hast du hinterher gesagt, beim zweiten ersten Mal, dem richtigen ersten Mal. Das fand ich ja noch witzig. Aber als daraus deine Frage wurde: »Was, wenn ich dich liebe?«, da verschlug es mir die Sprache. Stattdessen hab ich dich geküsst, hab eine neue Spielart unseres Zungentanzes ausprobiert, und du hast angebissen – im wahrsten Sinn des Wortes. Dann hast du die Führung übernommen, da steh ich ja total drauf. Die Hütte im Wald wurde zu unserem Liebesnest. Zum Fixstern unserer Parallelwelt, zu der nur wir Zutritt haben.

Die reale Welt sieht anders aus, leider. Aus ihr kann man nicht verschwinden, zumindest nicht komplett. Und genau das ist das Problem. Notiz für die Weltverbesserungsliste: Gerät zum Zappen in andere Dimensionen erfinden, wenn einem das Programm in der ersten Realität ankotzt. Mein Programm ist eine Katastrophe. Ich sitze gerade in meinem Zimmer, träume mich zu dir und könnte nur noch heulen. Gestern hat mir Mama erzählt, daß ihre Behandlung teurer wird als erwartet und daß die Kasse nur einen Teil dazubezahlt. Holgi sagt, daß seine Eltern das übernehmen würden, wenn wir denn endlich heiraten würden. Er hat mich dann so angesehen, und ich habe mich gefragt: War das jetzt schon sein Antrag? Viel mehr Romantik wird es nicht geben. Pfeif auf die Romantik, die hilft mir jetzt auch nicht weiter. Warum ist das Leben so verdammt schwierig, kann mir das irgendwer erklären? Manchmal kommt es mir vor wie ein unlösbares Problem (ich habe Angst vor der Lösung). Mit dir passiert gerade etwas Großes, das wissen wir beide, und Tage später schlägt dir das Leben mit der Faust ins Gesicht.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.