Ich will es doch auch! by Berg Ellen
Autor:Berg, Ellen
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2014-01-14T16:00:00+00:00
10
»Anna, mein Schatz, wie fühlst du dich?«
Charlotte hatte die Assistenzärzte rausgeschickt und sich neben Anna aufs Bett gesetzt. Die dunklen Ringe unter den Augen des Mädchens waren noch breiter geworden, ihr Gesicht wirkte eingefallen. Es war deutlich zu sehen, dass sich Annas Gesundheitszustand trotz der Medikamente rapide verschlechterte.
»Doktor Floppy sagt, er möchte nach drauÃen.« Sehnsüchtig sah sie aus dem Fenster.
»Liebling, du weiÃt doch, das geht leider nicht«, mischte sich Sandra Kojaczinski ein. »Du bist viel zu schwach dafür. Oder, Frau Doktor?«
Charlottes Blick wanderte über die bunten Luftballons, die BlumensträuÃe, die Pralinenschachteln und die Plüschtiere, die sich im Zimmer stapelten. Das alles war gut gemeint, konnte aber nicht aufwiegen, dass Anna wie eine Gefangene eingesperrt war.
Selbst Charlotte wusste, dass Gesundheit und Krankheit wesentlich von der seelischen Verfassung abhingen. Anna brauchte etwas, worauf sie sich freuen konnte. Ein nahes Ziel, das sie am Leben hielt, und sei es nur die Aussicht, dieses Krankenzimmer für ein paar Stunden verlassen und wie andere Kinder auch auf einen Spielplatz gehen zu können.
»Wir schauen mal, wie sich die Werte entwickeln«, sagte sie. »Vielleicht ist vor der Operation ein kleiner Ausflug drin.«
Wenn denn überhaupt genug Geld für eine Operation zusammenkam, noch dazu binnen kurzer Zeit. Die Uhr tickte. Lange würde Anna nicht mehr durchhalten. Ihre Mutter war weit kräftiger, aber für die zarte kleine Anna wurde es allmählich dramatisch. Sandra Kojaczinski sah Charlotte zweifelnd an.
»Wirklich? Ein Ausflug? Ich meine, Anna ist ziemlich durcheinander, dauernd phantasiert sie von einer komischen Prinzessin.«
»Die ist nicht komisch!«, protestierte ihre Tochter. »Die Prinzessin hat goldene Haare und ist wunderschön! Na gut, sie ist ein bisschen komisch, weil sie nicht schnallt, dass der Bauernsohn ein Prinz ist.«
»Du darfst dich nicht aufregen.« Charlotte strich ihr eine Haarsträhne aus der blassen Stirn. »Alle Märchen enden gut.«
Annas Miene hellte sich auf. »Kriegt die Prinzessin den verzauberten Prinzen?«
Charlotte zog ihre Hand zurück.
»Jetzt wirst du erst einmal gesund. Ich tue wirklich alles dafür. Und das mit dem Prinzen kommt auch in Ordnung. Bestimmt.«
Haha. Es war inzwischen fünf vor neun, und noch immer wusste sie nicht, was sie tun sollte. Ja doch, Uwe war der Mann ihres Herzens. Aber die Sache heute Abend war unendlich wichtig. Zukunftsentscheidend sozusagen.
Nach der Morgenvisite tat Charlotte etwas, was sie sonst nie machte: Sie ging in den kleinen Park hinter dem Krankenhaus und setzte sich auf eine Bank. Gedankenverloren schaute sie einigen Patienten zu, die in Bademänteln zwischen den Blumenbeeten spazieren gingen, und sah zum Klinikgebäude hinüber, wo sie seit so vielen Jahren arbeitete. Dies war ihre Welt, ihr Kosmos. Sie wollte das alles nicht verlieren.
Am besten sie klärte die Angelegenheit sofort. Ohne störende Sentimentalitäten. Im Kampf Kopf gegen Herz hatte ihr Herz soeben den Kürzeren gezogen.
Ein schlechtes Gewissen hatte sie schon, als sie Alexander von Bernheim anrief. Es war nicht fair, Uwe auszubooten. Aber es war das einzig Vernünftige.
O ja, er habe Zeit und begleite sie gern, versicherte Alexander. Er werde dann direkt vom Büro zum Empfang ins Krankenhaus fahren.
Nun kam die schwerste Ãbung. Charlotte rief Uwe an.
»Hallo Sonnenblume«, meldete er sich.
Auf der Stelle spürte sie, wie sich die Härchen auf ihrem Unterarm senkrecht stellten.
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