Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut by Stefan Schwarz

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut by Stefan Schwarz

Autor:Stefan Schwarz [Schwarz, Stefan]
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: rowohlt
veröffentlicht: 2012-09-28T20:40:16+00:00


Gottes Tischfeuerwerk

Bei uns wird Silvester noch seinem Namen gerecht. Langweiliger kann es beim Papst Silvester am letzten Tag des Jahres auch nicht zugegangen sein. Der ist nicht umsonst am nämlichen Datum gestorben. Vermutlich, weil wieder nix los war. Sein Sterben – ein letzter Versuch, dem Jahresausklang anno 335 doch noch etwas Pep zu verleihen. Ich kann das nachfühlen.

Denn obwohl das Jahresende auch für so ziel-, missions- und absichtslos dahinwohnende Subjekte wie mich ein beträchtliches Maß an Absehbarkeit bereithält, werde ich alljährlich so etwa Mitte Oktober von der Frage «Was macht ihr eigentlich Silvester?» komplett geplättet und um mein selbstbestimmtes Silvester gebracht. Sehr weit vorausplanende Menschen stellen diese Frage sehr weit im Voraus, und die Antwort darauf erfreut sich nicht sonderlich vieler Alternativen. Heuchelt man Unentschlossenheit und feiert später fremd, überzieht eine Kaltzeit das Beziehungsgeflecht. Denn Freunde mögen es gar nicht, wenn man ihren Unterhaltungswert in fein abgestuften Ranglisten tiefer platziert. Da sagt man lieber zu, auch wenn einem das nicht zusagt.

Auch dies ein Fehler. Denn sehr weit vorausplanende Menschen feiern immer sehr verantwortungsvoll und bedrückend rauscharm, nicht zuletzt wegen der anwesenden Kinder, die Silvester vor Mitternacht ins Bett zu schicken ja heutzutage als meldepflichtige Gewalttat gehandelt wird. Es gibt dann also Bowle mit weniger Alkohol als in Erfrischungstüchern und Höhepunkte wie Luftschlangenausblasen und Tischfeuerwerke, die – nach einem Moment fahler Hoffnung – Winnie-der-Pu-Puzzles aushusten. Punkt zwölf ein Sektchen, und dann drücken sich alle herzlich. Dazu hat meine Mutter mich aber nicht unter Schmerzen geboren!

Silvester will ich meinen guten Ruf ablegen wie einen alten Hut. Ich will in einer Badewanne fettiger Flips und Chips sitzen, mit Buddeln und Bouteillen an meinen Seiten, deren Inhalt mir egal sei, solange er nur recht ordentlich zu Wein vergoren und zu Sprit gebrannt ward. Ich will meine speckige Chipshand juchzenden und kreischenden Tanzmäusen oder nach Belieben auch -wachteln auf den Rücken patschen und sie zu üblem Schlagerrums stampfend hin- und herschwenken, als seien sie Teddybären mit verklemmter Brumme. Ich will Unfug krakeelen und gute Bekannte als «ausgemachte Sauhunde und Lumpen» anpöbeln. Ich will nach Mitternacht glücklich lallend mit zersprengter Hose und angesengtem Bart von ebenfalls delirierenden Freunden in die Notfallaufnahme geschleift werden, aber nur, um dort immer wieder in unbemerkten Momenten von der Pritsche zu hüpfen und hinter dem Rücken des schon einfädelnden Chirurgen irgendwelche Phiolen und Flakons aus dem offenen Rotkreuzschränkchen auszusaufen.

«Ich hab dich noch nie betrunken gesehen», sagte mein Sohn, als wir in der Kaufhalle die zwei lächerlichen Flaschen Grauburgunder neben die Sparpackung Knallerbsen taten. «Wenn man seinen Vater noch nie betrunken gesehen hat, hat man gar keinen Vater, sondern nur einen Erziehungsberechtigten», sagte ich weise, während um mich herum alle hastig nach dem Kugelschreiber in der Jacke tasteten, um sich das Bonmot zu notieren. «Ich hab mich übrigens auch noch nie so richtig betrunken gesehen», tröstete ich meinen Stammhalter, «die Spiegel hängen irgendwie immer zu hoch.»



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