Ich bin nicht farbig by Reeves Shary
Autor:Reeves, Shary [Reeves, Shary]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erfahrungen
ISBN: 9783280055588
Herausgeber: Orell Füssli Verlag
veröffentlicht: 2014-10-15T00:00:00+00:00
Das kenianische Urlaubsabenteuer
Abenteuer sucht man nicht, Abenteuer hat man.
Manfred Hinrich
Bevor aber die Nachprüfung stattfand, hatte ich eine Verschnaufpause, denn die Ferien standen vor der Tür. Das bedeutete für mich: Egal, wohin es gehen würde, als Erstes packte ich das Geschichtsbuch ein. Dieses Mal besuchten wir unseren leiblichen Vater in Nairobi, der Hauptstadt Kenias, wo er einen Lehrstuhl als Professor hatte. Als wir anreisten, gab es am Zoll ein paar Probleme. Ich nehme an, es passte den Zollbeamten nicht, dass wir mit kenianischen Pässen und Rückreisetickets aus Deutschland anreisten. Unser Gepäck wurde haargenau durchsucht. Jedes einzelne Teil wurde energisch aus unseren Taschen herausgerissen. Da bog unser Vater um die Ecke und steuerte sichtlich aufgebracht mit erhobenem Zeigefinger auf die Zollbeamten zu. Das war das einzige Mal, dass ich erleichtert darüber war, einen solchen Vater zu haben. Aufgeschreckt von seinem plötzlichen Auftreten packten die Beamten alles schnell und unbürokratisch wieder in die Koffer. Denn sein Gesicht kam ihnen bekannt vor. Unser Vater arbeitete neben seiner Professorentätigkeit als Nachrichtensprecher beim Fernsehen und Radio. Das war mal ganz großes Kino: Wann erlebt man es schon, dass der eigene Vater einen solchen politischen Einfluss hat und damit Flughafenkontrolleure in Wallung bringen kann!
Als Diplomatenkinder mit kenianischem Pass waren wir schon so einiges von Deutschland her gewöhnt. Wir wurden von der kenianischen Botschaft in Bonn, die uns jährlich zu den verschiedensten Anlässen einlud, sehr hofiert. Erst in jenem Moment auf dem Flughafen in Nairobi wurde uns klar, warum. Im Bekanntenkreis unseres Vaters tummelten sich nicht nur Kenias Staatspräsident, sondern auch Politiker aus der ganzen Welt. Denn wenn er nicht gerade an internationalen Universitäten Vorlesungen hielt, war er als Wahlbeobachter in der Welt unterwegs.
Es blieb also den Zollbeamten nichts anderes übrig, als sich bei uns zu entschuldigen. Für meinen Geschmack fünfzigmal zu viel. Nachdem unter den kritischen Blicken meines autoritären Vaters alles so weit fertig war, trugen sie unsere Koffer sogar zum Auto. Das hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Einen Vater zu haben, der völlig legitim auf »dicke Hose« machen kann – und zwar unter den Augen von Justitia. Ein unvergesslicher Moment.
Wir fuhren in eine gehobene Wohngegend am Stadtrand von Nairobi. Dort wohnte er in einem großen Haus mit seiner neuen Frau und zwei weiteren Kindern. Mal wieder wurde man vor vollendete Tatsachen gestellt. So wenig Beziehungsleidenschaft, wie ich für meine mit mir in Deutschland lebenden Geschwister aufbrachte, so wenig war ich an zwei weiteren interessiert. Klar war uns in dem Moment auch nicht, ob es vielleicht sogar noch mehr davon gab. Im afrikanischen Lebensstil ticken die Uhren bekanntlich etwas anders als in Europa. Da lebt man die Treue und das eheliche Versprechen nicht immer so, wie es im christlichen Sinne gemeint ist. Seine aktuelle Frau musste während des Aufenthalts seiner Kinder aus der ersten Ehe für die Dauer unseres Urlaubs das Haus verlassen. Wir lernten sie nicht kennen.
Die eigentliche Hiobsbotschaft überbrachte uns unsere skrupellose Mutter. Man stelle sich vor, man rennt mit voller Wucht mit dem Kopf gegen eine Wand. So in etwa kann man sich den Schmerz vorstellen, den wir empfunden haben.
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