Horror Factory - Pakt mit dem Tod by Wolfgang Hohlbein

Horror Factory - Pakt mit dem Tod by Wolfgang Hohlbein

Autor:Wolfgang Hohlbein [Hohlbein, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783838746456
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2013-04-07T22:00:00+00:00


2

»Amen!« Reverend Folsom schloss die uralte Bibel mit einem Knall, der nicht nur eine Wolke aus mindestens ebenso altem Staub zwischen den vergilbten Seiten hervorexplodieren ließ, sondern auch wie ein Pistolenschuss durch die kleine Methodistenkirche hallte und auch noch den allerletzten des guten Dutzends Sonntagsschüler aus seinen Tagträumen riss, in die sich die meisten geflüchtet hatten, um seinem immer gleichen Sermon irgendwie zu entgehen. Und wie üblich hatte Herman das Gefühl, dass sein Blick gerade eine Winzigkeit länger auf seinem Gesicht verharrte als auf denen der anderen.

Was Reverend Folsom anging, so war seine Person eine von wenigen Punkten, in denen Herman und sein Vater vollkommen einer Meinung waren. Sie beide mochten ihn nicht, wenn auch aus vollkommen unterschiedlichen Gründen – Herman, weil er ihn schon am ersten Tag durchschaut und begriffen hatte, warum Folsom es so genoss, Macht über die Kinder seiner Gemeinde auszuüben, deren Eltern ihn schon lange aus ihren Herzen ausgeschlossen hatten, aber auch weil er ihm einen so großen Teil der wenigen Zeit stahl, die er für sich hatte.

Und sein Vater mochte ihn nicht, weil er der Meinung war, dass Folsom die Heilige Schrift viel zu lax auslegte und im Übrigen auch gar kein richtiger Priester war. Unglückseligerweise war er aber auch der einzige Gottesmann, der es jemals länger als wenige Monate in Milton ausgehalten hatte, und ob er ihn nun mochte oder nicht, er verkündete Gottes Wort, was für Hermans Vater nichts anderes bedeutete, als dass sein Wort Gesetz war – und in der Konsequenz für Herman, dass er auch noch die nächsten fünf oder sechs Jahre Sonntag für Sonntag auf der harten Kirchenbank verbringen und dabei zuhören musste, wie Folsom ihm und allen anderen hier ihre Zukunft in den schwärzesten Farben ausmalte, sollten sie ihre Leben und all ihre Kraft nicht vorbehaltlos in den Dienst des Herrn stellen; oder um genauer zu sein, seines selbst ernannten Sprachrohres auf Erden.

»Bis zur nächsten Woche lernt ihr den Ersten Brief an die Korinther auswendig«, schloss Folsom seine Inspektion erwartungsvoll dreinblickender Gesichter ab, deren Interesse allerdings sehr viel weniger dem Korintherbrief galt als dem strahlenden Sonnenschein draußen und der guten Stunde freier Zeit, bis die Glocke sie wieder in dieselbe Kirche rufen würde, um zusammen mit ihren Eltern den Sonntagsgottesdienst zu zelebrieren. Einige der Glücklicheren, das wusste Herman, würden nicht einmal mehr das über sich ergehen lassen müssen, sondern direkt nach Hause oder zu ihren Freunden gehen. Sein Vater hielt ihre Eltern für Ketzer oder doch zumindest sträflich leichtsinnig, so mit dem Seelenheil ihrer Kinder zu spielen, und Herman war ein bisschen neidisch auf sie. Vielleicht waren die Eltern dieser Kinder (Familien, mit denen sein Vater außerhalb der Kirche kein Wort sprach) einfach nur großzügig und der Meinung, dass ihre Kinder wenigstens an einem Tag in der Woche ein bisschen Zeit für sich selbst brauchten.

»Und ich werde euch abhören, am nächsten Sonntag!«, fügte Reverend Folsom noch hinzu, während seine Schutzbefohlenen bereits von den unbequemen Bänken aufsprangen und dem Ausgang zustrebten, mit deutlich erhobener Stimme, um den dabei entstehenden Lärm



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