Helene Henke - Das Rote Palais 03 - Die Schattenpforte by Helene Henke

Helene Henke - Das Rote Palais 03 - Die Schattenpforte by Helene Henke

Autor:Helene Henke [Henke, Helene]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-07-05T16:00:00+00:00


Also waren die Vampire keine Eigenkreation, sondern das ursprüngliche Werk eines anderen Künstlers. Hel hatte sie sich zueigen gemacht. Wie raffiniert. In ihrem Kleinkrieg mit der Götterhierarchie lag der Ursprung der Vampire. Sie waren ihre Waffe im Kampf gegen Asgard und den Gottvater Odin. Da Hel gegen die riesige Burg im Himmelreich mit ihren zwölf Palästen nichts ausrichten konnte, konzentrierte sie sich möglicherweise auf die Zerstörung der darunterliegenden Menschenwelt. Nach den Erzählungen der Göttin Iduna bei ihrem letzten Gastspiel in Krinfelde, umfasste der Weltenbaum Yggdrasil den gesamten Kosmos, bestehend aus Asgard, Midgard und der Unterwelt Niflheim. Kein angenehmer Gedanke. Blieb zu hoffen, dass die Diskrepanz zwischen dem Zeitempfinden der Götter und dem der Menschen weit genug auseinanderklaffte, damit das bevorstehende Armageddon noch ein paar Tausend Jahre auf sich warten ließ.

„Unsere Aura speichert das Licht aus Lebzeiten und bringt es hierher. Dieser Umstand war ebenso wenig abzusehen, wie die Einschränkungen, denen wir in der Menschenwelt unterliegen“, fuhr Sergej fort.

„Welch Ironie, dass ausgerechnet ihr das Licht in diese Dunkelheit bringt.“

„Allerdings“, entgegnete Sergej. „Wobei es weder notwendig noch erwünscht ist. Viel mehr handelt es sich um eine unplanmäßige Rückkopplung.“

„Sieht so aus, als wäre der guten Hel da ein übler Fehler unterlaufen.“

Sergejs Mundwinkel zuckten. Fast wäre es ein Schmunzeln geworden, doch er entschied sich für ein angedeutetes Nicken. „Das würde ich ihr allerdings nicht mitteilen, solltest du ihr jemals begegnen.“ Ehe sie etwas erwidern konnte, zog Sergej sie plötzlich zurück in die Schatten der Nische. „Warte hier“, flüsterte er.

Im nächsten Moment war er auf die Straße getreten. Vorsichtig lugte Leyla um die Ecke und sah noch, wie seine Gestalt von der Menge verschluckt wurde. Schnell zog sie sich zurück, presste ihren Körper gegen kaltes Mauerwerk. Die gegenüberliegende Wand ragte düster vor ihr auf, verlor sich oben ins Endlose. Mit ein bisschen Fantasie könnte man sich vorstellen, senkrecht in einer Gruft zu stecken. Toll. Sie hatte keine Ahnung, wie lange Sergej sie hier warten lassen würde und überlegte, ob sie sich auf eigene Faust weiter auf die Suche nach Rudger machen sollte, wie sie es geplant hatte. Leider hatte sie immer noch nicht die geringste Ahnung, wo sie mit der Suche beginnen sollte. Das riesige Geisterschloss am Ende der Straße wirkte so wenig einladend, dass es wiederum klar war, dass sie die Suche dort anfangen sollte. Ganz ohne Waffen fühlte sie sich ungeschützt, auch wenn die Vampire da draußen einen recht friedlichen Eindruck machten. Andererseits wollte sie nicht auffallen und konnte sich kaum unter die Menge mischen. Ein Blick in die andere Richtung der Gasse zeigte nichts als die tiefe Dunkelheit eines schachtartigen Labyrinths. Kaum vorstellbar, dass sie sich dort zurechtfinden könnte, ohne Sergej als wandelnde Laterne. Doch sie verlor die Geduld und musste etwas unternehmen. Als sie sich für die düstere der beiden Möglichkeiten entschieden hatte, tauchte Sergej so schnell neben ihr auf, dass sein Lichtschein für den Bruchteil einer Sekunde hinterherzuhinken schien. Erschrocken und erleichtert zugleich nahm sie ihm den Stoffballen ab, den er ihr entgegenhielt.

„Besser du ziehst diesen Umhang über, damit du weniger auffällst“, erklärte er.



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