Gracchus der Volkstribun by Adolf von Wilbrandt

Gracchus der Volkstribun by Adolf von Wilbrandt

Autor:Adolf von Wilbrandt [Wilbrandt, Adolf von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


Fünfter Auftritt.

Die Bürger, Gracchus, dessen Amtsbote, Pomponius und Lätorius; später Euporus.

VOLK. Gracchus, unser Tribun – hoch!

AGRICOLA. Wir begrüßen dich, Vater des Volks! Vater unsrer Freiheit.

GRACCHUS kommt mit Pomponius und Lätorius, der Amtsbote des Tribuns vor ihm her. Ich dank' euch, dank' euch! – Wer wäre dann die Mutter, guter Bürger?

AGRICOLA. Die Mutter? – Das ist 'ne kitzlige Frage. Auf Lätorius zeigend. Da steht die Mutter; die hat uns in den Wehen dieser letzten Nacht die Freiheit geboren und den Vater gerettet.

VOLK mit Lachen. Es lebe die Mutter!

LÄTORIUS. Ich dank' euch, Landsleute.

GRACCHUS mehr nach vorn tretend, zu Pomponius. Sieh, wie er roth wird über das Lob! – – Lätorius, unsre Freundschaft ist noch jung, und doch ist Pomponius schon eifersüchtig. Er spricht schlecht von dir, und mir weissagt er aus Aerger das tragische Schicksal des Demosthenes.

LÄTORIUS. Des Demosthenes! – Ich wollte, ich könnte enden wie er, wenn ich wie er gelebt hätte! Als seine einzige Tochter sieben Tage todt war, starb der große Tyrann, der König Philipp von Macedonien. Da warf Demosthenes sein Trauerkleid ab, setzte sich einen Kranz auf's Haupt, und im weißen Festgewand ging er unter das Volk! Das war ein Tyrannenfeind –[56]

POMPONIUS eifernd. Das war ein Mann, der statt des Herzens einen Eimer voll Galle hatte! Geht mir mit euren Eisenfressern, euren politischen Unmenschen! – Ich weiß nur Ein weises Wort von Demosthenes. Als die guten Athener ihn aus Dankbarkeit verbannt hatten, und er in Aegina nach der Heimath wimmerte, Zu Lätorius gewandt. da sagte er zu einem jungen Freund, so jung wie du: »Junger Mann! Hätten, als ich anfing, zwei Wege vor mir gelegen, von denen der eine zur Rednerbühne und in die Volksversammlung, der andere geraden Wegs zum Tode führte – und hätt' ich all das Elend, das auf der Rednerbühne wächst, vorher gekannt: ich hätte ohne Bedenken den Weg zum Tode gewählt!« – Das sagte euer Demosthenes, als er um zwanzig Jahre zu spät das Vergnügen hatte, zur Vernunft zu kommen!

GRACCHUS gedankenvoll lächelnd. Seid ihr wieder im Streit! – Als ich ein Knabe war und zum ersten Mal die großen Reden des Demosthenes las, schienen sie meiner knospentreibenden Jugend zu kalt; nicht vulkanisch, nicht überschwänglich genug. Aber Eins bewunderte ich an ihm vom ersten Tag: daß er so gewaltig hassen konnte, wie Andre lieben! Sein Haß gegen die macedonischen Tyrannen war ihm heilig wie die Götter, er lebte und starb dafür; – wer auf Erden kann mehr?

POMPONIUS. Hm! Euporus ist von links wieder aufgetreten, steht vor Gracchus, der ihn nicht bemerkt. Gracchus, – dein Sclave.

GRACCHUS. Was willst du?

EUPORUS. Diesen Brief schickt dir die Herrin; du möchtest nicht versäumen, ihn zu lesen.

GRACCHUS lächelnd. Ich will's nicht versäumen! Oeffnet ihn; für sich. Gute Licinnia! – »Sprich heute nicht auf dem Forum; rede nicht zum Volk; ich bitte Dich. In dem Helm Deines Vaters, der in der Halle[57] steht, sind heute Schlangen gekrochen: ich fand sie selber darin. Das bedeutet Unheimliches; laß Dich warnen, Gajus!«

POMPONIUS. Was schreibt dir Licinnia so Eiliges?

GRACCHUS lächelnd. Nichts für Philosophen! – Holdseliger Aberglaube, wie üppig gedeihst du in einem zärtlichen Herzen! Liest für sich weiter.



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