Going Zero by McCarten Anthony

Autor:McCarten, Anthony [McCarten, Anthony]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783257613100
Herausgeber: Diogenes Verlag
veröffentlicht: 2023-04-26T00:00:00+00:00

9 Tage 19 Stunden

KANSAS CITY, KANSAS

Don White, Zero 9 , hat lange genug Jagd auf Menschen gemacht, um zu wissen, dass Obdachlose zu den wenigen gehören, die noch unsichtbar sind. Die Armen sind zwar mitten unter uns, aber die Leute steigen einfach über sie hinweg, machen einen Bogen um ihre schmutzigen ausgestreckten Hände, ohne dabei ihre Unterhaltungen zu unterbrechen, oder treten aufs Gaspedal, den Blick starr nach vorn gerichtet, die Fenster hochgekurbelt, wenn sie in der Stadt in ein Zeltlager geraten oder an einer Verkehrsampel ein zahnloser Alter herangehumpelt kommt. Aber wenn du von der Bildfläche verschwinden willst? Dann schließ dich dem Abschaum an, den Junkies und Säufern, den armseligsten unter den Landstreichern, den Verrückten, die selbst die Irrenhäuser als hoffnungslos abschieben, den Mördern, deren Strafen wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit milde ausfielen, den Veteranen, denen man die Zukunft geraubt hat und die sich ihre Kriegskameraden jetzt lieber in diesem städtischen Niemandsland suchen, unter den Eisenbahnbrücken, in den Zeltstädten, auf diesen schmalen Landstreifen so weitab von aller Zivilisation, dass man sie unbehelligt dahinvegetieren lässt, jahrelang.

Don bleibt für sich. An ein paar Stellen am Stadtrand hat er Geld versteckt, hat seinen Bart wachsen lassen, sich angewöhnt, in schmutzigen Klamotten zu schlafen. Er ist stark und fit genug, um sich zu verteidigen; an ihn traut sich keiner heran. In Rekordzeit hat er dafür gesorgt, dass die Verrückten ihn für verrückt halten. Redet wirres Zeug, schüttet Wodka in sich hinein (in Wirklichkeit Wasser, das er in eine Wodkaflasche füllt), weiß nicht mehr, wer er ist oder von wo er kommt, reckt die Fäuste, versetzt den andern Brüdern harte Schläge, wenn es sein muss. Hat ein Schrotthandy in der Tasche. Auf der Straße gekauft. Die Einzige, die die Nummer kennt, ist die Nachbarin seiner Mutter.

Seine Routine: tagsüber schlafen, nachts durch die Gegend ziehen. Sonst nichts. Grässliches Zeug fressen. Den Bullen aus dem Weg gehen. Nicht leicht, den Ekel auszuhalten. Die Langeweile ist entsetzlich. Einmal hat er sogar einem pickligen Jungen eine Flasche Wodka geschenkt, nur damit der ihn auf seinem abgeschabten Smartphone ein Fußballspiel gucken ließ. Scheiß auf die drei Millionen Dollar. Drei Wochen lang lebt er jetzt schon so, und bei Gott, nie wieder wird er sein altes Leben für selbstverständlich halten. Lobpreisen will er das saubere Bett, ein Halleluja auf den vollen Kühlschrank singen, sich zum Gebet verneigen vor der morgendlichen Dusche.

Ihm ist klar, dass die kommenden neun Tage und 19 Stunden die schlimmsten werden. An diese Art Leben gewöhnt man sich nicht. Und je näher der Preis rückt, desto heftiger schlägt ihm das Herz in der Brust, wump, wump, wump, desto mehr zweifelt er an sich, denkt, dass sein Plan irgendwo einen Fehler haben muss. Ein einziger neugieriger Bulle, und alles wäre vergebens gewesen. Vielleicht sollte er doch noch anderswohin gehen, aber dann, gerade wenn er sicher ist, dass er sich für einen Ortswechsel entschieden hat, fällt ihm wieder ein – schließlich ist er selbst Jagdprofi –, wie gefährlich es ist, eine frische Spur zu hinterlassen, und so bleibt er doch, wo er

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