Gebrauchsanweisung für Katalonien by Ebmeyer Michael

Gebrauchsanweisung für Katalonien by Ebmeyer Michael

Autor:Ebmeyer, Michael [Ebmeyer, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492972031
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-05-19T16:00:00+00:00


Sandra

Capçanes ist ein Dorf im äußersten Süden des Priorat. Am Ortseingang grüßt ein Denkmal des hier geborenen Volkshelden Carrasclet, der im frühen 18. Jahrhundert die Truppen des spanischen Königs Philipp V. bekämpfte. Direkt gegenüber liegt die Einfahrt zum Celler de Capçanes, dem Betrieb der hiesigen Winzergenossenschaft. Solche cooperatives gründeten sich in den Jahrzehnten nach der Reblauskatastrophe in vielen Gemeinden, weil die Weinbauern merkten, daß sie den mühsamen Weg aus der Krise nur im Zusammenschluß schaffen konnten. Eine Besonderheit von Capçanes liegt darin, daß hier seit einigen Jahren auch ein zertifizierter und sehr guter koscherer Wein hergestellt und an jüdische Gemeinden in zahlreiche Länder, besonders aber in die USA geliefert wird.

Die Winzergenossenschaft von Capçanes zählt achtzig Mitglieder, und eine davon ist Sandra Aulló, zuständig für das Marketing.

»Der Gedanke, zu einer Nation mit eigener Geschichte, Kultur und Sprache zu gehören, macht mich schon stolz. Aber vor allem mag ich an Katalonien die Landschafen, die Kontraste zwischen den Provinzen, die verschiedenen Dialekte, das Mar i muntanya aus Girona, die Schnecken aus Lleida, eine gute Paella aus Tarragona oder ein paar Tapas in Barcelona.

An uns selbst schätze ich all das, was uns als Katalanen ausmacht: den Fleiß, die Ehrlichkeit, die Gastfreundschaft – und auch unsern Humor, immer ein bißchen schwarz und sarkastisch. Allerdings stört es mich, wenn die nationalistischen Gefühle wie eine Fahne hochgezogen und bis ins Letzte ausgereizt werden. Mich nerven auch der ständige Klatsch und der Sparwahn, zwei sehr typische Züge unseres Landes. Außerdem der ewige Konservatismus der katalanischen Bourgeoisie und die Doppelmoral, die damit einhergeht.

Ich bin begeistert von Barcelona, als Weltstadt, als riesiges Freilichtmuseum, als Symbol des harmonischen Zusammenlebens von Modernität und den Wurzeln, der Vergangenheit. Jetzt rede ich schon wie das Tourismusbüro. Und natürlich liebe ich das Priorat, dieses Mosaik von kleinen Dörfern, verstreut zwischen den Rebenhängen, ein Sandwich zwischen Meer und Bergen.

In einer Zeit, in der Europa klare Tendenzen zur Vereinigung zeigt, glaube ich nicht, daß es eine gute Idee wäre, uns zu einem unabhängigen Staat zu erklären – auch wenn die dauernden Gehässigkeiten, die wir von Teilen des spanischen Staates zu erdulden haben, mich da oft ins Schwanken bringen. Ich bin für ein Katalonien, in dem die Steuerzahler nicht ungleich behandelt werden, in dem unser Recht respektiert wird, eigenständig über all das zu entscheiden, was unser Land hervorbringt. Das ist, finde ich, nicht zuviel verlangt.

Ob ich mich als Spanierin sehe? Alles ist relativ. Wenn ich einem Spanier gegenüberstehe, scheinen mir die vier Streifen auf die Zunge und in die Pupillen tätowiert, dann verteidige ich mein Land mit ganzer Seele und streite ab, was in meinem Paß steht. Aber einem Ausländer gegenüber bin ich Spanierin. Das ist eine Tatsache, die man nicht leugnen kann, außerdem ist Spanien ja trotz allem ein Land mit Charakter und voller wunderbarer Dinge. Ich bin auch komplett zweisprachig. Ich nehme an, das ist einer der Vorteile daran, in Barcelona aufgewachsen zu sein, wo es einen ganz selbstverständlichen Kontakt mit dem Kastilischen gibt. Aber Katalanisch ist, wie es ja auch so schön im Statut heißt,



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