Geborgter Raum: Ein Fall für Jonas Haldern (German Edition) by Rebensdorf Johanna
Autor:Rebensdorf, Johanna
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Johanna Rebensdorf
veröffentlicht: 2015-08-24T00:00:00+00:00
Zweiter Teil
Samstag, vierzehnter August
Was erwartete sie von ihm? Als sie die schmale Treppe zum Wasser hinunterstiegen, war er sich noch immer nicht sicher, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Wenn von einer Entscheidung überhaupt die Rede sein konnte.
Ohne dass er es bemerkt hatte, war der Abstand zwischen ihnen größer geworden und Paula Demant blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Das ist sehr schön hier. Ich glaube, ich war noch nie an diesem Teil des Kanals. Dabei habe ich sogar mal in Lübeck gewohnt.“
„Tatsächlich?“ Einfache Höflichkeit gelang ihm gerade eben.
„Ganz kurz, in der Wohngemeinschaft einer Freundin. Ich wusste noch nicht, an welche Uni ich gehen würde und zu Hause habe ich es nicht mehr ausgehalten.“
Sie gingen nebeneinander weiter. Paula mochte von seiner Unsicherheit nichts spüren. Ihr fiel nicht auf, dass er schon während des Weges an der Untertrave entlang immer weniger gesagt und jenseits der Puppenbrücke gänzlich ihr das Wort überlassen hatte. Sie stellte Fragen und redete, ohne eine Antwort abzuwarten, weiter, als wären sie alte Freunde. Natürlich lag das auch an dem billigen Wein, von dem sie mehr genossen hatte, als ihr guttat: In jedem Fall hatte sie zu viel getrunken, um Auto fahren zu können, was Jonas Haldern zu seiner Ausgangsfrage zurückführte: Was erwartete sie von ihm?
Tatsache war, dass er sie angesprochen und eingeladen hatte, was sie sicher nicht erwartete, als sie ihm von ihrem Platz am Rande der Bühne kurz zuwinkte. Sie schaute sofort von ihm weg und beobachtete die Tänzer, die ihre Beine umeinander schlangen und sich im Rhythmus des schwarzen Zigeuners hin und her wiegten. Sie schien sich von dem Anblick gar nicht losreißen zu können oder vielleicht war es ihr auch unangenehm, ausgerechnet ihm auf dem Tango-Festival zu begegnen. Was hatte ihn bloß geritten, dass er seine bitter nötige Samstagabend-Entspannung aufs Spiel setzte, sich zu ihr durchschlängelte und neben sie stellte, um fachmännisch die erotisch anmutenden Figuren der vier Paare vom Tango-Club zu kommentieren? Das musste ja zu der Frage führen, ob er selbst tanze, und die Möglichkeit, wenigstens einen vorsichtigen Versuch zu wagen, als die Tanzfläche nach der Vorführung für das Publikum geöffnet wurde, stand unausgesprochen, aber deutlich zwischen ihnen. Er konnte gar nicht mehr anders, als Paula auf die Bühne zu führen. Obwohl er seit Jahren nicht mehr getanzt hatte, fand er sofort den Rhythmus und das Gefühl für den Tango wieder. Beim ersten Tanz standen sie allerdings meist auf einem Fleck, weil sie immer wieder abbrechen und neu anfangen mussten. Gelächter überdeckte die peinlichen Versuche ihrer Promenaden.
Endlich schickten sich die Vortänzer zu einem weiteren Auftritt an und er lud Paula ein und sie fanden einen Platz in einem der Festzelte, die entlang der Trave aufgebaut waren. Sie hatten über den Zufall gescherzt, der sie hier zusammengeführt hatte, und beschlossen, dass berufliche Themen an diesem Abend tabu sein sollten.
Noch einmal erlebte Jonas Haldern, dass Paulas Gesellschaft ihm gut tat. Es war einfach, sich wohl zu fühlen, und er hatte nichts gespürt von der Notwendigkeit, zu planen oder Rückzugsreserven vorzuformulieren. Meist
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