Frost und Sonne (B00DYRUKEW) by Asta Scheib

Frost und Sonne (B00DYRUKEW) by Asta Scheib

Autor:Asta Scheib [Scheib, Asta]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455811704
Herausgeber: HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
veröffentlicht: 2013-07-22T04:00:00+00:00


Kapitel 17

Es war einer der Abende, wo die Dämmerung den blutroten Ball der Sonne nicht untergehen lassen mochte und der Himmel nicht aufhören wollte, sich rosa und purpurfarben in der Newa zu spiegeln. Die unzähligen Fenster des Winterpalastes schauten wie leuchtende Augen auf den Fluss.

Die Saltykow-Auffahrt sah Kutsche um Kutsche heranrollen, große Automobile fuhren vor, und die Diener rissen die Türen auf. Weiße, goldene oder zartroséfarbene Roben wogten heraus, Diademe, Kokoschniks und Paradeuniformen wollten wie üblich den Ton angeben – doch heute entflog ein ganzer Schwarm von Debütantinnen den Kutschen. Wie weiße Tauben umschwirrten sie einander, gurrend und glucksend ihre schneeweißen Ballroben begutachtend, das sorgsam frisierte Haar unter den üppigen Kränzen von frischen Rosen, der prächtige Schmuck, der dem der Mütter in nichts nachstand. In selbstverständlicher Hoffart betrachteten die Mädchen den Prunk des Georgssaals, oder betrachteten ihn auch nicht, obwohl allein der reich mit Intarsien geschmückte Parkettfußboden ein Kunstwerk war. Ebenso hinreißend schön waren die riesigen Lüster, sechs an der Zahl, deren Kerzenschimmer sich im Kristall brach. Die weißen Säulen und Stuckdecken waren reich mit goldenen Reliefs geschmückt, die dem Raum Reinheit und Pracht verliehen. Eine Aura aus Tausendundeiner Nacht.

Heute zeigte sich der Thronsaal vor allem den Töchtern, die in Petersburgs Gesellschaft eingeführt wurden. In diesem Jahr war die Pracht noch üppiger als sonst, denn die Großfürstin Olga, die älteste Tochter des Zaren, und seine Nichte Irina, Tochter der Zarenschwester Xenia, gehörten zu den Debütantinnen. Obschon alle in weißen, duftigen Kleidern erschienen, war es, als trügen die Mädchen aus dem Hause Romanow Mäntel von Hermelin. Olga, hochgewachsen und graziös wie ihre Mutter, hatte auch deren rotgoldenes Haar geerbt und die reine, porzellanfeine Haut. Olga war nicht eigentlich schön, doch sie hatte einen ausdrucksvollen Mund und eine freche, nach oben gebogene Nase. Es hieß von ihr, dass sie die Begabteste der vier Zarentöchter sei, dass sie Gedichte verfasse, anspruchsvolle Musikstücke nach dem Gehör spiele und eine gute Stimme habe. Ihre Lehrer seien von ihrem hervorragenden Gedächtnis verblüfft. Sie lerne außerdem leicht. Dazu sei sie religiös und aufgeschlossen für Mystisches. Man flüsterte sogar, dass sie Grigorij Jefimowitsch Rasputin mit Fragen bombardiere, die er oftmals nicht beantworten könne.

Umbraust von Tschajkowskijs Krönungsmarsch reichte nun jedes Mädchen einem Zögling des Pagencorps die Hand. Wie sie es mit dem Tanzlehrer eingeübt hatten, zogen sie in Zweierreihen in den großen Thronsaal des Winterpalastes ein, gefolgt von Zar und Zarin und den drei jüngeren Töchtern sowie dem bildschönen kleinen Zarewitsch, der wie sein Vater die Uniform des Kavallerieregiments der Leibgarde trug.

Zarewitsch Alexej, den man selten zu Gesicht bekam, erregte die Neugierde aller Gäste. Er war für sein Alter ziemlich groß, hatte ein feines, ovales Gesicht, bronzen schimmerndes, dichtes Haar und die hellgrauen Augen der Zarin. Er sah wach und interessiert um sich und schien vergnügt zu sein. Bei Hofe wurde erzählt, dass er sehr ausgelassen sein konnte und bei Banketten Unsinn trieb. So war er einmal unbemerkt unter den Tisch gekrochen und hatte einen zierlichen Damenpumps gestohlen, von dessen Zwang sich eine junge Hofdame erlöst hatte. Alexej zeigte



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