Franziska Scheler (German Edition) by Bernard von Brentano

Franziska Scheler (German Edition) by Bernard von Brentano

Autor:Bernard von Brentano [von Brentano, Bernard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Schöffling & Co.
veröffentlicht: 2015-09-01T03:00:00+00:00


Fünfzehntes Kapitel

Es bildet ein Talent sich in der Stille,

Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.

Goethe.

1

Leopolds Buch war erschienen. Der Buchhändler Thomas, ein Bruder des Faktors der Berliner Allgemeinen Zeitung, der ein großes und angesehenes Geschäft in der Tauentzienstraße besaß, war so freundlich, sechs Exemplare ins Schaufenster seines Ladens zu stellen. Leopold betrachtete die Auslage und fand, daß sich Herbert Müller große Mühe gegeben habe. Das Buch sah wirklich schön aus. Auf dem Schutzumschlag war ein Bild von Gentz, und die Bauchbinde hatte einen wirkungsvollen, knappen Text. Leopold betrat den Laden. Herr Thomas kam selber herbei und begrüßte den jungen Autor. – Sie haben ein spannendes Buch geschrieben. Ich habe es gern gelesen und viel daraus gelernt.

– Sie sind sehr liebenswürdig, sagte Leopold. Geht mein Buch? Kaufen es die Leute?

Herr Thomas, der noch Eckenkragen trug, steckte den rechten Daumen in das Armloch seiner Weste. – Was soll man darauf antworten? sagte er, es läuft nicht grade … Ich würde sagen: Es bummelt noch, aber wir stehen ja erst am Anfang, das Buch ist vor einer Woche ausgeliefert worden … Haben Sie schon was von der Presse gehört? Dieses Buch wird gute Kritiken brauchen!

– Herbert Müller meint, historische Sachen gingen von selber.

Herr Thomas schüttelte den Kopf.

– Das ist ein Irrtum. … Das stimmt nicht. Ein Buch über Napoleon oder über Goethe, das geht von selber. Das kaufen die Leute wie frische Semmeln. Aber Gentz – – nein, das war kein Stern ersten Ranges. Die meisten Kunden haben noch nicht einmal seinen Namen gehört, und das Publikum ist eine träge Masse. Bei mir daheim sagen die Leut’, was der Bauer nicht kennt, das frißt er nicht, und das gilt wörtlich für unser Publikum. Aber Sie haben ja gute Beziehungen! Wenn man ein führender Mann der Berliner Allgemeinen ist, dann werden sich die Herren Kollegen schon anstrengen. Ist es Ihr erstes Buch?

– Ja.

– Meine Hochachtung. Würden Sie mir Ihren werten Namen in mein Exemplar schreiben?

Herr Thomas reichte Leopold seinen Füllfederhalter, und Leopold schrieb sein erstes Autogramm. – Danke schön, sagte Herr Thomas und trocknete die Tinte vorsichtig mit dem Löscher.

Eine Frau von ungefähr vierzig Jahren trat in den Laden und bezahlte eine Rechnung. – Hier wäre eine bedeutende Neuerscheinung, sagte Herr Thomas und zeigte der Dame Leopolds Buch. Die Dame blätterte ein wenig und schien enttäuscht zu sein, als sie keine Bilder fand. – Historische Sachen können manchmal spannend sein, sagte sie. Kommt auch was von Liebe vor?

– O ja, sagte Herr Thomas. Gentz war der Liebhaber der schönen Tänzerin Fanny Elßler.

– Packen Sie es ein, sagte die Dame, wenn es mir nicht gefällt, kann ich es ja umtauschen.

Die Dame verließ den Laden, und Herr Thomas kehrte zu Leopold zurück. – Es ist ein mutiges Buch, sagte er, und ich bin gespannt, was die Linkspresse sagen wird.

Die Büchergestelle reichten bis zur Decke des Ladens, und Leopold rechnete aus, daß Herr Thomas mindestens zwanzigtausend Bände besaß. Eins unter diesen zwanzigtausend, eins gegen neunzehntausendneunhundertneunundneunzig Exemplare war sein Buch oder richtiger gerechnet: eins gegen neunzehntausendneunhundertneunundachtzig Exemplare, da Herr Thomas eine Partie bezogen hatte.



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