Fennelly, Tony by Mord auf der Klappe
Autor:Mord auf der Klappe [Klappe, Mord auf der]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-03-10T16:00:00+00:00
In der Ecke lagen ein paar Hanteln, die seinen stämmigen Rumpf hätten erklären können, aber sie waren reine Dekoration. Ich vermutete, dass Tibbets Schultern mit Schaumstoff gepolstert waren. Wie die von Raymond Burr, als sie in den späten Tagen der alten Mason-Serie versuchten, sein Fett zu verstecken. Die anderen Zutaten für eine jüngere Erscheinung waren eine halbe Flasche Bräunungscreme, die mitten am Hals nicht mehr bräunte, und Fliegerbrillen mit gelb getönten Gläsern. (Gott helfe uns allen!) Er steigerte die Farce noch durch sportliche Kleidung, die für einen Studenten angemessen gewesen wäre, Tibbet würde nie mehr fast vierzig sein.
Er bat mich in sein privates Büro und schüttelte meine Hand, ob ich wollte oder nicht.
„Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mr. Sinclair. Ich helfe Ihnen bei dem Russe-Vorgang, wo immer ich kann.“
Das war zweifellos die joviale Art, die er für bittstellende Wähler übrig hatte. Ich nahm einen steiflehnigen Stuhl aus der Ecke, stellte ihn genau neben ihn und lehnte mich, das Kinn in der Hand, auf den Schreibtisch.
„Der Russo-Vorgang war ein Mord, Mr. Tibbet.“
„Ja natürlich.“ Falls ihn meine Invasion seines persönlichen Bewegungsspielraums unruhig machte, verbarg er es gut. „Ich habe Freunde bei der Polizei.“ Das war ein Wink. „Sie haben mir alle Umstände von Pats Tod genau erzählt. Und ich sage Ihnen, ich war schockiert.“
„Das glaube ich.“ Nicht zu aufdringlich nahm ich einen kleinen Kassettenrekorder aus meiner Manteltasche, stellte ihn zwischen uns auf den Tisch und drückte auf den On-Knopf. Der ehrenwerte Staatsdiener wusste nicht, ob er zu mir oder ins Mikrofon sprechen sollte. Er räusperte sich. „Er hat mit mir in diesem Büro gearbeitet. Und ich hätte nie gedacht, dass er deviant wäre.“
„Deviant?“
„Er benahm sich gar nicht pervers. Ich schwöre, dass man es ihm nicht ansehen konnte. Normalerweise erkennt man sie ja.“
„Tatsächlich? Wie denn, das würde ich gern wissen?“
„Oh, wie sie reden, sich bewegen ...“ Da sah er mich lächeln, und in dem Moment dämmerte es ihm. Er versuchte, es wieder hinzukriegen. „Natürlich verurteile ich Leute nicht dafür, wie sie sind. Alle sind Kinder Gottes, sage ich immer.“
Ich ließ nicht locker. „Sie haben ja gegen das Gesetz gestimmt, mit dem gewisse private Handlungen zwischen einverständigen Erwachsenen entkriminalisiert werden sollten.“
„Ja, habe ich, nach viel Gewissenserforschung. Aber ... nun ... das ist eine Frage der öffentlichen Moral. Unsere Gesellschaft ist in größerer Gefahr, von innen her zu verrotten als das alte Rom, weil ...“ Er deutete mit seinen Tatzen auf ein Farbfoto auf dem Schreibtisch. „Ich habe Kinder, verstehen Sie.“
Das Porträt war von einer typischen Politikerfrau, brünett und verkniffen, und von vier typisch amerikanischen Kindern. Die Frau sah nach jahrelanger Vernachlässigung aus. Und die Kinder sahen verwöhnt aus. Verwöhnt mit Geld, mit allem anderen zu kurz gekommen. Seelenlos.
Tibbet warf sich in die Brust und tätschelte das Bild. „Da sehen Sie meine -Hobbys-. Immer, wenn ich ein neues Gesetz lese, denke ich daran, wie es für sie wäre. Meine Frau und meine Kinder.“
Diese Rede kam mir bekannt vor. Sie war während des letzten Wahlkampfs in einem Dreißig-Sekunden-Spot gelaufen, und ich hatte keine Lust, sie noch mal über mich ergehen zu lassen.
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