Feldstudien by Seiffert Rachel

Feldstudien by Seiffert Rachel

Autor:Seiffert, Rachel [Seiffert, Rachel]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-04-25T16:00:00+00:00


FRANCIS JOHN JONES, 1924 -

Mein Leben vor meinem Eintritt in die

Armee war ereignislos, aber voller kindi

scher Träume.

Gefreiter H., 1944

(A War of Nerves, Ben Shephard,

London 2000, S. 261)

Die Geschichte, die er erzählen will, trug sich 1944 zu. – Keine Geschichte.

Fran verbessert sich. Sitzt am Fenster; schaut die meiste Zeit hinaus statt mich an. Sagt, er will mir von einem Vorfall im Sommer jenes Jahres erzählen; wie er ihn sieht. Weiß, dass ich schon davon gehört habe: ein Familiengeheimnis, über das laut flüsternd gesprochen wird. Für seine Tochter ein Schandfleck: Andere Väter bekamen Orden. Für die Söhne seiner Tochter weniger: die sichere Entfernung einer anderen Generation. Einer von ihnen ist ein Kollege von mir: Als wir uns vor einiger Zeit in der Mittagspause unterhielten, fragte er mich nach meiner Doktorarbeit und meinte, sein Großvater könnte mich interessieren. Dachte wahrscheinlich, ich würde nicht mehr darauf zurückkommen, und inzwischen frage ich mich, ob Fran überhaupt groß überredet werden musste. Ich hatte Widerstand erwartet, Feindseligkeit sogar, aber ich weiß nicht, wie ich ihn beschreiben soll. Sanfter Händedruck, Kekse und Tee auf dem Tisch.

Fran wäre in Italien zwanzig geworden, bei seinem Bataillon, aber er wurde krank und verbrachte seinen Geburtstag in der Nähe von Kairo. Im Militärkrankenhaus, bei den Verwundeten, den Amputierten. Hitze, wie er sie noch nie erlebt hatte: verdöste Tage, Starren auf den Deckenventilator. Schlaflose Nächte, den anderen beim Träumen zuhörend.

- Beängstigend manchmal, dieses Geräusch. Besonders wenn ich Fieber hatte.

Dann Gelbsucht. Noch sechs Wochen, sagte der Sanitäter. Er werde zu spät zu seinem Bataillon zurückkommen. Weiter vorn an der Front. Nichts zu machen.

Seine Augäpfel waren noch gelb, als er wieder zu ihnen stieß. Inspizierte an jenem ersten Morgen sein Gesicht im kleinen Viereck des Rasierspiegels, sah nur Ausschnitte davon. Rosa Stirn, Haut, die vom Sonnenbrand spannte; Augen von kränklicher Farbe, von roten Äderchen durchzogen; Oberlippe mit weichem Flaum bedeckt. Er seifte sich die Wangen ein, holte seinen Rasierer hervor.

- Verflucht, John, lohnt sich das überhaupt?

Thorn war der Einzige, den er schon kannte. Nicht gut: Sie waren im Februar mit demselben Transport von Neapel gekommen. Redeten nicht viel: hatten sich nicht viel zu sagen, aber es tat gut, dass jemand da war, den er wiedererkannte. Ständig neue Gesichter, neue Rekruten, Bataillone, die zusammengelegt wurden, um die Verluste auszugleichen. Leute kamen, dann waren sie wieder weg.

Fran kam als Letzter zu seinem neuen Zug. Prägte sich am ersten Tag mühsam die Namen ein. Er selbst wurde Twitch – Knirps – genannt, weil er groß war, und Bones – Gerippe -, weil es sich auf seinen Familiennamen reimte und man noch seine Rippen sah, trotz der Pfunde, die er in den vergangenen Wochen im Krankenhaus zugelegt hatte.

- Meine Fresse, was haben die uns da wieder geschickt!

So hat Fran seine erste Begegnung mit Butler in Erinnerung, der natürlich Spaß machte.

- Amateure.

So etwas hörte man dauernd; man erwartete es schon. Der Humor im Krieg, sagt Fran, war schnell und kalt. Aber irgendetwas daran war anders in diesem Sommer, in diesem Zug; er kam nie dahinter, was. Die Männer waren nicht unfreundlich zueinander, aber er hatte nie das Gefühl, dass sie sich gut verstanden.



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