Erna und die drei Wahrheiten by Stelling Anke

Erna und die drei Wahrheiten by Stelling Anke

Autor:Stelling, Anke [Stelling, Anke]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-cbt HC
veröffentlicht: 2017-01-09T13:47:09+00:00


Wir schauen Sandra auf Youtube. Sandra ist in Wahrheit ein Typ, der so ein verblödetes Mädchen spielt, das in der Schule nichts kapiert und immer nur an Jungs und an sein Aussehen denkt. Es ist witzig, aber überhaupt nicht wie bei uns in der Schule. Wäre bei uns jemand wie Sandra, würde er keinen Ärger mit den Lehrern kriegen, sondern einen Paten aus der Lerngruppe, der ihm hilft. Die Doofen sind bei uns nicht die Doofen, sondern die, die nicht ertragen, dass die Doofen alles verderben. Darüber kann man sich aber nicht beschweren, das ist dann nämlich hartherzig und gemein.

So, wie wenn man sich über jüngere Geschwister beschwert oder über die Kleinen hier im Haus. Immer soll man Rücksicht nehmen, Verständnis haben, Kompromisse machen. Baumhausbauen mit Dreijährigen!

Ich find’s nicht schlimm, wenn man zu Mia oder Leonie sagt: »Weg da, das darfst du noch nicht, das ist meine Sache.« Löcher bohren mit dem Akkubohrer oder Feuer machen oder wo richtig Hohes draufsteigen. Müssen sie halt zuschauen, so lange, bis sie größer sind. Aber die Eltern können’s nicht ertragen, wenn sie hören, dass jemand das zu ihren Lieblingen sagt. Dabei sagen sie’s andauernd selbst. Oder sagen es nicht, aber handeln so. Tun alles Wichtige und Gefährliche und Interessante heimlich, auf der Arbeit oder nach acht.

»Nehmt doch Rücksicht«, ermahnen sie uns, was so viel heißt wie: »Macht nur Sachen, bei denen die Kleineren mitmachen können.«

Also haben Rosalie und ich das Baumhaus aufgegeben, das gehört inzwischen den Kleinen. Die aber nicht reingehen, wenn von uns Großen niemand mehr drin ist.

Es ist echt total bescheuert, das Baumhaus steht jetzt einfach leer.

Als ich Rosalie vorgeschlagen hab, dass wir zum Plenum gehen und das mit dem Baumhaus besprechen, wollte sie aber nicht. Rosalie glaubt nicht, dass die Eltern noch was lernen können. Ich langsam auch nicht mehr.

Ich wüsste gerne, was Rosalie zu den neuen Regeln zu sagen hätte, zu den Klo-Listen und dass wir jetzt immer alle runtermüssen auf den Hof. Ob sie fände, dass ich Mattis deswegen verpetzen soll. Rosalie hat nämlich oft ganz eigene Ansichten. Meistens ist sie dafür, alles genau andersrum zu machen, als die Erwachsenen es von einem erwarten. Bestimmt hat sie in ihrem Zimmer längst wieder ein Geheimversteck mit Keksen und Bonbons für die Sieben Wochen Ohne. Das könnte ich nicht, meine Eltern einfach zu belügen. Aber Rosalie kann. Und zwar nicht aus Trotz und dann mit Heulen und Versöhnung hinterher, sondern monatelang, ohne dass es je aufgeklärt wird.

Sie klickt sich durch die Sandra-Spots. Dann guckt sie nach, ob sie neue Mails hat.

»Guck mal hier«, sagt sie, »Penisvergrößerung.«

»Echt jetzt?«

»Warum schicken die mir das? Wissen die nicht, dass ich ’n Mädchen bin?«

»Vielleicht denken sie, du kannst es deinem Freund weitersagen!«

Sie überlegt. Ich will wissen, ob sie jetzt an jemand Bestimmtes denkt. Also: nicht wegen »Penisgröße«, sondern wegen »Freund«. Ob es da jemanden gibt, der ihr sofort in den Sinn kommt –

»Wie steht’s mit Jovan?«, frage ich. Das ist einer aus ihrer Klasse, von dem sie mal erzählt hat.

»Der ist nicht mehr da.«

»Und wieso nicht?«

»Ist weg nach dem Halbjahr, Probezeit vergeigt.



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