ER ? by Renard Maurice

ER ? by Renard Maurice

Autor:Renard, Maurice [Renard, Maurice]
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-01-13T22:00:00+00:00


Kapitel XII

Die Tätowierung des Jean Mareuil

Wenige Minuten nach Anrollen des mit Staub bedeckten Wagens fand sich Graf Lionel bei Mareuil ein. Er hatte bei diesem Besuch keinerlei Hintergedanken oder heimliche Absichten, denn Jean Mareuil interessierte ihn nur mehr unter der Maske »Freddy«. Den nächtlichen Jean Mareuil mußte man packen. Was ging einen das Tun und Treiben des »Tages- Mareuil« an? Der andere war tausendmal verwundbarer.

Der Livreediener, der dem Grafen öffnete, meldete, Herr Jean Mareuil sei eben erst in seinem Auto zurückgekehrt und ziehe sich um.

»Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich da bin«, erwiderte Lionel.

Der Diener führte den jungen Grafen in eine große, elegant eingerichtete Bibliothek, deren Fenster auf den Hof des Palais gingen. Gelangweilt blickte der Graf in den Hof hinab und schaute dem Wagenwäscher des Autos zu.

Wenige Minuten später trat Mareuil ein. Er trug einen weiten Schlafrock, dessen Schnur sich um die Taille des jungen Mannes knüpfte.

»Sie hätten sich nicht stören lassen sollen, lieber Freund«, entschuldigte sich Lionel. »Ich würde gern gewartet haben, bis Sie Ihre Toilette beendet hätten.«

»Was gibt's Neues?« fragte Mareuil, dem anderen kräftig die Hand schüttelnd.

»Gar nichts. Da ich gerade an Ihrem Hause vorüberging, wollte ich Sie mitnehmen. Sie wissen ja, bei uns zu Hause ist heute ein großer Tamtam los, Five-o'clock, von fünf bis acht, Musik, usw.«

»Ich würde mich schwer hüten, dies zu vergessen. Wenn es Ihnen nicht lästig fällt, ein Viertelstündchen zu warten? ...«

»Bitte, bitte!«

»Ich komme gerade von Meaux.«

»Ja, ja, Sie haben mir von Ihren Nachforschungen in den Archiven erzählt. Nun, schreitet das Werk fort?«

»Langsam!«

Lionel merkte, daß Mareuil wieder einen seiner verträumten Tage hatte, an denen es schwer fiel, ihn auf der irdischen Welt festzuhalten.

Seit der Graf das Phänomen des »Zweiten Bewußtseins« studierte, begründete er diese seltsamen Träumereien Mareuils mit jener allgemeinen peinlichen Unruhe, die zuweilen das »Subjekt« befällt und es mit einer unklaren, dumpfen Furcht erfüllt, die wiederum in unerklärlichen Entdeckungen oder in nicht klar zu präzisierenden Vorahnungen ihre Ursache hat. Wäre er Ohrenzeuge des Gespräches von heute morgen in dem Grünzeuggeschäft Lefebres gewesen, so hätte ihn dies und noch mehr, was nachfolgte, in seiner Ansicht bestärkt.

»Wir sind heute verstimmt?« meinte er. »Man sieht schwarz?«

»Na, wer hat keine Sorgen?«

»Fanden Sie denn in Meaux, was Sie suchten?«

»Ja und nein ... bitte, hier sind Zigaretten. Darf ich Ihnen ein Buch geben? Ich habe hier die sehr hübsch illustrierte ›Reitkunst‹ von Saint-Phal. Vielleicht interessiert Sie das Buch?«

»Gewiß!«

Jean Mareuil stellte sich auf die Fußspitzen, um das fast außer Reichweite in einem Bibliotheksfach steckende Werk herabzunehmen. Hierbei rutschte der sehr weite Ärmel seines Pyjamas zurück, und Lionel bemerkte auf seinem Unterarm eine in blauer Farbe eintätowierte Viper.

Mareuil sah, daß Lionel die Tätowierung nicht entgangen war, er suchte übrigens auch gar nicht, sie zu verbergen.

»Teufel, noch einmal!« lächelte er. »Jetzt sind Sie Mitwisser eines kleinen Geheimnisses!«

»Was macht das?« antwortete Lionel belustigt. »Ich bin doch nicht wie Gilberte, daß ich gleich vor Angst umkomme.«

»Diese Tätowierung ist das Werk eines japanischen Künstlers, als ich meine Weltreise machte.«

»Schon lang her?«

»Ich unternahm sie mit siebzehn Jahren. Es war damals Mode, sich tätowieren zu lassen.



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