Eiskalte Spiele by Girardelli Marc & Grünig Michaela

Autor:Girardelli, Marc & Grünig, Michaela [Girardelli, Marc & Grünig, Michaela]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
Herausgeber: emons
veröffentlicht: 2018-07-15T22:00:00+00:00

ZWÖLF

Das monotone Summen des Flugzeugs wirkte beruhigend. Andrea, deren Kopf an Marcs Schulter lehnte, schlief tief und fest. Doch er selbst fand einfach keine Ruhe. Zu viele Dinge gingen ihm durch den Kopf: Würde sein Knie auch die Olympiade unbeschadet überstehen? War Hans ernsthaft in Gefahr, oder setzte er seine Gesundheit völlig umsonst aufs Spiel? Nutzte er die Bedrohung seines Trainers vielleicht nur als Vorwand, um es doch noch einmal auf der Piste richtig krachen zu lassen? Hans hatte recht gehabt mit seiner Vermutung, dass es ihm an der Freude fehlte. Inzwischen machte ihm das Skifahren wieder richtig Spaß. Selbst wenn seine Form noch etwas hinterherhinkte.

Nachdenklich rieb er sich das schmerzende Knie, während er darauf achtete, Andrea nicht durch eine ungeschickte Bewegung aufzuwecken. Sie brauchte dringend etwas Erholung von der ganzen Aufregung der letzten Zeit. Entgegen allem Widerstand, auch aus den eigenen Reihen, hatte er es tatsächlich geschafft, sich auf den letzten Drücker zu qualifizieren. Vor vier Tagen in Garmisch hatte er den achten Platz gemacht und war damit gerade noch in den Olympiakader gerutscht. Wenn er allerdings ehrlich zu sich war, dann war ihm das nur gelungen, weil Peter Winkler in der letzten Minute vom Start zurückgetreten war.

Im Training hatte sein Konkurrent deutlich bessere Zeiten als er eingefahren. Keiner wusste, weshalb Peter nicht gestartet war. Oder weshalb er überraschend auf seine Olympiateilnahme verzichtete. Böse Zungen behaupteten, dass er auf diese Weise einer positiven Dopingprobe entgehen wollte. Doch Marc wollte diese missgünstigen Gerüchte nicht glauben.

In den Reihen hinter ihm und Andrea saßen der größte Teil des Schweizer Alpin-Ski-Teams und sämtliche Betreuer. Viele von ihnen schnarchten friedlich vor sich hin, aber Luca Zogg tigerte schon seit Stunden den Gang auf und ab. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass seine Muskulatur durch das lange Sitzen verhärtete. Aber jetzt war es bald geschafft, in anderthalb Stunden würden sie in Seoul landen. Von dort aus würde es, nachdem das Gepäck eingesammelt war, mit einem Hochgeschwindigkeitszug direkt in die Olympiaregion gehen.

Pyeongchang lag hundertdreißig Kilometer östlich der südkoreanischen Hauptstadt inmitten des Taebaek-Gebirges. Und damit auch verdammt nah an der nordkoreanischen Grenze, doch glücklicherweise schienen sich die politischen Spannungen zwischen den beiden Ländern wieder beruhigt zu haben. Angeblich sollten sogar Sportler aus dem Norden an den Spielen teilnehmen.

Als sie gestern den Ablauf der Reise besprochen hatten, hatte Hans ihnen erklärt, dass es diesmal zwei olympische Dörfer gab: eins am Meer in Gangneung, wo die Indoor-Sportarten wie Eishockey, Curling und Eiskunstlauf stattfanden, und eins in den Bergen in Alpensia für die restlichen Athleten. Insgesamt würden sechstausenddreihundert Sportler und ihre Betreuer anreisen, um sich an siebzehn Wettkampftagen in fünfzehn Sportarten zu messen. Zum Auftakt am 9. Februar sollte die Eröffnungsfeier im Olympiastadion steigen, die garantiert eine große Sause werden würde. Doch Marc hatte bereits entschieden, sich das Spektakel zu schenken und lieber schlafen zu gehen. Er hatte sowohl am Tag davor als auch am selben Tag und am Tag danach ein offizielles Training. Der Zeitunterschied zur Schweiz betrug acht Stunden, und wenn er für die Trainings und das Rennen fit sein wollte, musste er so schnell wie möglich den Jetlag überwinden.

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