Easy Money by Wolfgang Hohlbein
Autor:Wolfgang Hohlbein [Wolfgang Hohlbein]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-08-19T16:00:00+00:00
ENDE
Leseprobe
MÖRDERHOTEL
von Wolfgang Hohlbein
CHICAGO, ILLINOIS, 1893
Am Ende ist es doch auch nur Fleisch«, sagte der große Mann mit dem sorgsam gezwirbelten Schnurrbart. Dann schwang er das Schlachterbeil mit solcher Vehemenz, dass es mit einem Zischen durch die Luft fuhr, ohne spürbaren Widerstand durch Haut, Fleisch und Knochen schnitt und sich tief ins schwarze Holz der Tischplatte grub. Der kleine Finger, die Hälfte des Ring- und die Kuppe des Mittelfingers flogen in unterschiedliche Richtungen davon. Der Schlächter zog sein Werkzeug mit einem Ruck wieder zurück, und ein dünner, aber kräftiger Strahl hellen Blutes schoss aus den Stümpfen wie aus einem zerrissenen Druckschlauch. Er traf die Lederschürze des Bärtigen und zerspritzte zu Hunderten winziger Tröpfchen. Einige davon besudelten die Wange des Mannes, woraufhin dieser zurückwich und sich angeekelt mit beiden Händen durch das Gesicht fuhr. Erschrocken wie er war, vergaß er in seiner Hast das Schlachterbeil, und die Schneide, so scharf wie ein Barbiermesser, kappte nicht nur die Spitze seines Schnurrbartes, sondern hinterließ auch noch eine heftig blutende Wunde in seiner Wange.
Sein ebenso schmerzerfülltes wie zorniges Zischen ging im gellenden Schrei des Mannes unter, der auf dem Tisch festgeschnallt war. Als hätte der grausame Schmerz sein Gehirn mit einiger Verspätung erreicht oder er sich im ersten Moment nicht eingestanden, dass ausgerechnet ihm etwas so Unvorstellbares widerfahren sollte, reagierte er mit Verzögerung, dafür aber umso heftiger. Er stieß einen spitzen Schrei aus und bäumte sich so vehement auf, dass die schweren Ledermanschetten ächzten, mit denen er gebunden war.
Es war ein sehr kräftiger Mann, ein gutes Stück über sechs Fuß groß und um die zweihundert Pfund schwer. Obwohl er nackt war und sich offenkundig mehr gehen ließ, als gut sein konnte, verliehen ihm Entsetzen und körperliche Qual ungeheure Kraft. Aber seine Fesseln waren so überdimensioniert, dass sie selbst dem Wüten eines noch viel Stärkeren standgehalten hätten. Der Mann, der sie angebracht hatte, wusste nur zu gut, wozu Todesangst und Agonie einen Menschen befähigen konnten.
Der Bärtige fuhr sich abermals mit dem Handrücken durch das Gesicht, fluchte ungehemmt, als er den frischen Schnitt berührte, und riss das Beil in die Höhe. Pure Mordlust mischte sich in den Schmerz in seinen Augen.
»Peizel!« Die Stimme war nicht einmal besonders laut, aber so scharf wie das Knallen einer Peitsche.
Das Schlachterbeil, das diesmal auf das Gesicht des Mannes zielte, erstarrte mitten in der Bewegung. Für einen kurzen Moment erschien noch etwas anderes in den Augen des Schlächters, etwas, das schlimmer war als pure Mordlust und sich nicht nur auf sein Opfer richtete, sondern dem Mann auf der anderen Seite der Folterbank galt.
»Gedulden Sie sich, Sie Narr!«, sagte dieser ungerührt. Er war ein gutes Stück kleiner als Peizel, schmächtig und hatte ein ebenso gut aussehendes wie sanftes Gesicht. Er zeigte sich jedoch weder von Peizels Größe noch von seiner brutalen Ausstrahlung im Geringsten beeindruckt. Seine Stimme wurde ganz im Gegenteil sogar noch schärfer.
»Und nehmen Sie das Beil herunter. Sie machen sich lächerlich!«
Peizel – dessen Name nicht wirklich so lautete, für jedermann in diesem Land aber derart unaussprechlich war, dass er sich niemals
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