Du bist, was du hörst - Musiklabels als Wegweiser im digitalen Zeitalter by Campus
Autor:Campus
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Medienwissenschaft, Digitalisierung, Markentheorie, Labeltheorie, Musikindustrie, Genre, TIME-Konvergenz, Tsunami-Modell, Warenästhetik
Herausgeber: Campus
veröffentlicht: 2014-03-14T16:00:00+00:00
6.2.3 Differenzen zwischen Marken und Labels
Trotz der zahlreichen Parallelen, die zwischen Marken und Labels bestehen, gibt es auch gravierende Unterschiede. Während eine Marke dazu geschaffen wird, um Bekanntheit zu erlangen, bleibt das Label oft bewusst im Hintergrund. Aus welchen Gründen dies der Fall ist und wie die Ausnahmefälle gelagert sind, soll hier erörtert werden.
Labels, die sich den Konsumenten gegenüber nicht als Marke inszenieren, können sowohl aus dem Major-, als auch aus dem Major Indie- oder Indie-Bereich kommen. Dabei fällt auf, dass sich keines der Major-Labels explizit als Marke positioniert, in den meisten Fällen geschieht dies auch nicht mit ihren jeweiligen Unterlabels. Zwar können Majors sich den Medien, Künstlern und dem Handel gegenüber durch ihre Stellung auf dem Musikmarkt vorteilhaft positionieren, eine explizit auf den Konsumenten zugeschnittene Markenpolitik macht aber keinen Sinn. Der Grund dafür liegt zum einen in der musikalischen Spannbreite der großen Firmen, zum anderen in der Fixierung auf den einzelnen Künstler.
Der erste Punkt ist einleuchtend, da Majors kaum eine glaubwürdige und eindeutige Markenidentität bezüglich ihres musikalischen Spektrums aufbauen können, wenn sie nahezu alle Genres und Stile vertreten. Eine Plattenfirma kann den Konsumenten gegenüber kein einheitliches Markenbild erzeugen, wenn sie so verschiedene Segmente wie Volksmusik und Hardrock bedient. Selbst die Gründung von Unterlabels, die ursprünglich zur Bearbeitung spezieller Segmente vorgesehen war, ist in dieser Hinsicht nicht immer erfolgreich. Zwar werden vor allem die Klassik- und Jazz-Bereiche vom restlichen Repertoire getrennt geführt, doch durch vertragliche Beziehungen und wechselnde Führungskräfte können sich die Labelidentitäten akquirierter Sublabels im Laufe der Zeit ändern oder gar aufheben lassen. Sie unterliegen oft keiner besonderen Markenpflege und sind häufig zahlreichen Veränderungen unterlegen.871
Als Beispiel sei hier das Label Island aufgeführt, das 1959 von Chris Blackwell gegründet wurde und ursprünglich als Indie-Label seinen persönlichen Musikgeschmack repräsentiert hat. Es hat sich in den 1960er Jahren zunächst einen guten Namen als authentisches Reggae-Label gemacht, bevor Blackwell sich auf Underground-Rockbands spezialisierte. Nach einigen Fusionen gehört Island heute zu Universal Music und wurde in Deutschland für kurze Zeit auch innerhalb der Polydor Island Group geführt. Es hat seine ursprüngliche Identität verloren, was gut im Artist Roster des Labels abzulesen ist. Dort stehen Bands aus dem Punk-Bereich wie Thrice neben Stadionrockern wie Bon Jovi und Popkünstlern wie Lionel Richie.872 Blackwell hat das Label im November 1997 nach einigen Machtkämpfen verlassen.873
Dass ein weites Musikspektrum nicht nur bei Majors zu Problemen mit der Labelidentität führen kann, sondern auch bei Indies, zeigt das Beispiel Buback Tonträger, das 1987 von Alexander Dumbsky und Ted Gaier in Hamburg gegründet worden ist. Die beiden waren damals Mitglied der Band Die goldenen Zitronen und kamen aus der Punkszene. Das Labelspektrum wurde aber schnell um Free Jazz, HipHop, Reggae und Retro-Sounds erweitert. Obwohl nach der Punk-Phase mit der Hamburger HipHop-Szene um die Band Absolute Beginner, die seit 2003 unter dem Namen Beginner firmiert, eine zwischenzeitliche Prägung als HipHop-Label nahe lag, hat das Label keine expliziten Versuche unternommen, sich als Marke in diesem Bereich zu positionieren. Vielmehr hat es weiterhin verschiedene Stile und Künstler mit ähnlichen Einstellungen vereint. Erst als man zum
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