Die vergessenen Welten 02 - Die verschlungenen Pfade by R. A. Salvatore
Autor:R. A. Salvatore [Salvatore, R. A.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Dunkelelf
veröffentlicht: 2011-06-09T14:16:27+00:00
Die Rechte des Siegers
In der eilig aufgebauten Honigweinhalle lehnte sich Wulfgar am Kopfende des Haupttisches auf seinem Stuhl zurück. Angesichts der übermäßigen Verzögerungen, die sich aus der Einhaltung der traditionellen Zeremonie ergaben, stampfte er mit den Füßen auf. Seiner Meinung nach hätte sein Volk schon längst unterwegs sein sollen, aber es war ja gerade die Wiederherstellung der althergebrachten Zeremonien und Feierlichkeiten, die ihm in den Augen der skeptischen und stets mißtrauischen Barbaren den Vorzug über den Tyrannen Heafstaag gebracht hatte.
Schließlich war Wulfgar nach fünf Jahren Abwesenheit einfach wieder aufgetaucht und hatte ihren seit vielen Jahren herrschenden König herausgefordert. Einen Tag später hatte er die Krone gewonnen, und den Tag darauf war er zum König über den Elchstamm gekrönt worden.
Und er hatte beschlossen, daß seine Herrschaft, wenn er sie auch nur kurze Zeit auszuüben beabsichtigte, nicht von Drohungen und Einschüchterung gekennzeichnet sein sollte wie bei seinem Vorgänger. Er würde die Krieger der versammelten Stämme bitten und ihnen nicht befehlen, ihm in die Schlacht zu folgen, denn er wußte, daß die Barbarenkrieger vor allem durch ihren unbändigen Stolz angespornt wurden. Ihrer Würde entledigt, wie es bei Heafstaags Weigerung, die Souveränität der einzelnen Könige zu achten, gewesen war, waren die Stammesangehörigen in der Schlacht nicht besser als gewöhnliche Männer. Wulfgar wußte, daß sie ihren Stolz wiederfinden mußten, um überhaupt eine Chance gegen die überwältigende Übermacht des Zauberers zu haben.
Also war zum ersten Mal seit beinahe fünf Jahren das Hengorot, die Honigweinhalle, wieder aufgebaut und die Herausforderung durch das Lied angestimmt worden. Es war eine kurze, glückliche Zeit der gutmütigen Wettkämpfe zwischen Stämmen, die unter Heafstaags unnachgiebiger Herrschaft unterdrückt worden waren.
Die Entscheidung, das Hirschhautzelt aufzubauen, war Wulfgar schwergefallen. Unter der Annahme, daß ihm noch ein wenig Zeit blieb, bevor Kessells Armee zuschlagen würde, hatte er die Vorteile der Wiederherstellung der Traditionen gegen die Notwendigkeit größter Eile abgewogen. Er hoffte nur, daß Kessell in der Hektik der Kriegsvorbereitungen das Fehlen des Barbarenkönigs Heafstaag nicht auffiel. Falls der Zauberer wachsam war, war das allerdings nicht wahrscheinlich.
Jetzt wartete er ruhig und geduldig und beobachtete, wie die Leidenschaft in die Augen der Stammesangehörigen zurückkehrte.
»Wie in den alten Zeiten?« fragte Revjak, der neben ihm saß.
»Wie in den guten Zeiten«, erwiderte Wulfgar.
Zufrieden lehnte sich Revjak gegen die Hirschhautwand des Zeltes zurück und gewährte dem neuen Häuptling die Einsamkeit, nach der dieser sich offensichtlich sehnte. Und Wulfgar wartete weiter den besten Augenblick ab, um sein Anliegen vorzubringen.
Am anderen Ende des Zeltes hatte ein Wettkampf begonnen. Ähnlich wie bei Heafstaag und Beorg seinerzeit, die im letzten Hengorot das Bündnis zwischen den Stämmen mit Axtwerfen besiegelt hatten, bestand die Herausforderung darin, eine Axt aus weitestmöglicher Entfernung zu schleudern und so tief in ein Honigweinfaß zu schlagen, daß sich ein Loch auftat. Den Bewerbern stand eine bestimmte Anzahl von Versuchen offen, und die Zahl der Krüge, die aus den Löchern gefüllt werden konnten, war für den Sieg ausschlaggebend.
Wulfgar sah seine Chance gekommen. Er sprang von seinem Stuhl auf und verlangte aufgrund seines Gastgeberrechts den ersten Wurf. Der Mann, der zum Schiedsrichter bestimmt werden war,
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