Die Tochter der Heilerin by Sharratt Mary

Die Tochter der Heilerin by Sharratt Mary

Autor:Sharratt, Mary [Sharratt, Mary]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-06-20T13:32:54+00:00


Stunden später traten Gran und ich den beschwerlichen Heimweg an und stiegen einen Hügel hinauf. Ihr Atem ging stockend und schwer. Nach jedem sechsten Schritt blieben wir stehen und sagten einen Spruch, und ich gab mir die größte Mühe, sie zu stützen. Jede andere Frau in ihrem Alter wäre zu Hause geblieben, aber die Leute brauchten Gran, deswegen ging sie zu ihnen, solange sie noch die Kraft hatte, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Wenigstens waren wir so vollgegessen, dass wir fast platzten, denn Jane Bulcock hatte es sich nicht nehmen lassen, uns Hühnerfrikassee, Haferbrot und in Teig gebackene Apfelstücke aufzutischen. Mir drehte sich der Kopf von dem starken Bier, sodass ich mich ganz leicht fühlte und mir wünschte, ich hätte die Macht, Gran durch die Luft schweben zu lassen, damit ihre Füße den Boden nicht zu berühren brauchten. Die Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, waren genauso verrückt wie Jamies Gerede. Wie er es liebte, von Vögeln zu erzählen, die am Himmel dahinsegelten und Menschen auf dem Rücken trugen!

Während ich Gran den steinigen Pfad hinaufhalf, beugte sie sich zu mir hin. »Alizon, Liebes, wenn du das nächste Mal allein unterwegs bist ... Sagen wir, du gehst morgen über die Hügel zu Nancy. Nun ja, dann kann es sein, dass ein Tier deinen Weg kreuzt.«

Als sie sich mir mit diesen milchigen Augen zuwandte, wurde meine Haut heiß wie im Fieber. Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten.

»Eine Katze könnte dir erscheinen«, fuhr sie fort, »eine gefleckte Hündin oder ein Hase. Sogar ein junger Mann könnte sich dir zeigen.«

Bei ihren letzten Worten musste ich mich unwillkürlich ausschütten vor Lachen. »Ein junger Mann, der sich mir zeigt! Gran, du solltest dich mal hören!« Ich hätte jeden dummen Scherz gemacht, um unser Gespräch auf andere Dinge zu richten.

Doch Gran sah mich so durchdringend an, dass ich kaum wegschauen konnte.

»Er könnte die Gestalt eines jungen Burschen annehmen«, fuhr sie unendlich geduldig fort, »aber es ist kein Junge aus Fleisch und Blut. Oder er könnte dir zuerst als junger Mann erscheinen und sich dann in einen Hund oder in eine Katze verwandeln.« Sie drückte meine Hand ganz fest. »Hab keine Angst, Liebes. Lass es auf dich zukommen. Fürchte solche Dinge nie, denn sie können große Macht verleihen.«

»Schutzgeister sind nichts für jemanden wie mich«, sagte ich.

Ich wünschte mir so, dass ich Anthony Holdens Tochter wäre – bloß ein Mädchen, von dem man nur ganz gewöhnliche Dinge erwartete! Niemand, der Hexenblut in sich trug. Doch für Gran waren nicht einmal meine verborgensten Gedanken ein Geheimnis.

»Du wirst niemals ganz gewöhnlich sein, Alizon.« Die Liebe und der Stolz, die ihr Gesicht zum Strahlen brachten, reichten aus, um mich dahinschmelzen zu lassen. »Ich habe gesehen, wie du für das Bulcock-Kind gebetet hast, und du warst von einem ganz besonderen Leuchten umgeben.«

Beten konnte jeder, hätte ich am liebsten eingewandt. Das bedeutete noch nicht, dass ich in irgendeiner Weise besonders war. Doch dann umfasste sie mit ihrer rauen Hand meine Wange und ließ meinen Widerspruch verstummen.

»Du trägst die Kräfte in dir.



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