Die Spur des Verraeters by Laura Joh Rowland

Die Spur des Verraeters by Laura Joh Rowland

Autor:Laura Joh Rowland [Rowland, Laura Joh]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-10-14T16:00:00+00:00


17.

A

ls Sano mit seinen Begleitern beim Goldenen Halbmond eintraf, fiel ihm als Erstes auf, wie düster und trist das Bordell seit seinem letzten Besuch geworden war. Die Fenster der käfigartigen Zimmer, in denen die Kurtisanen sich den Freiern zur Schau stellten, waren mit Läden aus Bambus verschlossen, wenngleich schon früher Abend war und die Feste und Feierlichkeiten jeden Augenblick beginnen mussten. Unter den Scharen von Besuchern hatte sich offensichtlich herumgesprochen, dass hier ein Mord verübt worden war; denn sie machten einen weiten Bogen um den Goldenen Halbmond. Als Sano vom Pferd stieg, bemerkte er mehrere Kurtisanen, die ängstlich aus den Fenstern im ersten Stock hinunterschauten. Ein doshin – ein Streifenpolizist – und seine drei zivilen Helfer bewachten den Türeingang, in dem Minami stand, der Eigentümer des Bordells. Sein finsteres Gesicht war rot vor Zorn.

»Ich kann keine Geschäfte machen, wenn das Haus voller Polizisten ist!«, tobte er. »Und solange die Tote noch hier drinnen liegt, will niemand das Haus betreten. Geht! Verschwindet! Auf der Stelle!«

Die Antwort des doshin bestand darin, dass er gelassen die Arme vor der Brust verschränkte. Dann erschien yoriki Ota und stieß Minami zur Seite, um ins Innere des Bordells zu gelangen. Minami starrte ihm nach und schimpfte: »Ich verliere Unsummen! Ich verlange, dass Ihr und Eure Männer verschwindet! Ich muss die Leiche wegschaffen und das Zimmer gründlich reinigen lassen, damit ich meine Geschäfte weiterführen kann!«

»Sei still, oder ich lasse dich verhaften«, erwiderte Ota eisig; dann begrüßte er Sano mit einer flüchtigen Verbeugung. »Hier seid Ihr also. Kommt. Ich bringe Euch zu Pfingstrose.«

Sie betraten das Freudenhaus. Weitere doshin und deren Helfer hielten sich im von Lampen erleuchteten Empfangsraum auf, rauchten Pfeifen und lachten. Auf den schummrigen Fluren drückten verängstigte Diener sich an die Wände, um Sano und Ota durchzulassen.

»Was ist die Todesursache?«, fragte Sano.

»Selbstmord. Ihr werdet schon sehen.«

Yoriki Ota führte Sano zu den Wohnräumen der Kurtisanen im ersten Stock – eine Reihe nebeneinander liegender, winziger Kammern hinter papierenen Wänden. Irgendwo war das verzweifelte Weinen einer Frau zu vernehmen.

»Sie ist hier drin«, sagte Ota und blieb vor einer Tür stehen, die von einem weiteren doshin bewacht wurde.

Vorsichtig öffnete Sano die Schiebetür. Der scheußliche, metallische Geruch nach Blut und Tod schlug ihm entgegen, verschmutzte seine Haut, verpestete seine Lungen. Sano kämpfte die aufsteigende Übelkeit nieder und betrat das Zimmer. Der Wächter kam mit einer Laterne und hängte sie an die Wand. Sano sah, dass das Fenster geöffnet worden war, um frische Luft hereinzulassen, doch in der mit Möbeln und anderen Gegenständen vollgestellten Kammer war es immer noch heiß und stickig. Pfingstrose lag auf dem Boden, den Rücken an der Wand, die Knie an den Leib gezogen, in einer Pfütze aus ihrem eigenen Blut. Fliegen umschwärmten summend die reglose Gestalt in der blutgetränkten Kleidung und hatten sich auf der grässlichen, tiefen Schnittwunde niedergelassen, die von der linken Seite des Halses quer über die Kehle führte. Nicht nur aus der Wunde, auch aus dem Mund war Pfingstrose das Blut geschossen, hatte ihr blauschwarzes Haar verklebt und war über die Tatami-Matte gespritzt. In ihren starren, blicklosen Augen lag ein Ausdruck des Entsetzens.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.