Die seltene Gabe by Arena

Die seltene Gabe by Arena

Autor:Arena [Eschbach, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Arena
veröffentlicht: 2010-11-18T16:00:00+00:00


Kapitel 11 |

Die Zeit verging und ich saß einfach nur da und sah mit brennenden Augen hinaus in die Nacht. Irgendwann kam wieder eine Stadt, hielt der Zug an verlassenen Bahnsteigen, die im fahlen Licht gelber Lampen kalt und unheimlich wirkten. Nürnberg. Niemand war zu sehen, und als der kurze, gedämpfte Pfiff des Schaffners ertönte, schlug nur eine einzige Tür zu, unendlich weit entfernt. Und weiter ging die Fahrt. Schließlich tauchte Armand wieder auf. Blass stand er plötzlich in der Tür und schien erstaunt zu sein mich noch vorzufinden. »Du bist noch da?« Ich sah ihn an. »Wohin hätte ich denn gehen sollen?« Er schien zu überlegen, was er darauf sagen sollte. Schließlich setzte er sich, aber nicht mehr auf den Platz mir gegenüber am Fenster, sondern auf den Platz direkt neben der Tür – dort, wo er am weitesten von mir entfernt war. Es tat weh, ihn da zu sehen. Ich zögerte. »Armand?« »Ja.« »Es . . . es tut mir Leid, was ich vorhin gesagt habe.« »Schon gut.« »Nein, es ist nicht gut. Ich hätte das nicht sagen dürfen. Ich...ich bin so durcheinander von allem, was heute passiert ist...das ganze Hin und Her . . .« Ich hielt inne. Das klang alles so dünn. Wenn man wirklich etwas zu sagen hat, muss man immer feststellen, dass Worte nicht ausreichen. »Es ist vorbei«, sagte Armand leise. »Es ist passiert, aber jetzt ist es vorbei. Lass uns nicht mehr darüber reden.« Wir schwiegen. Dunkelheit und das einschläfernde, ewig gleiche Fahrgeräusch umhüllten uns. Es schien, als hätten wir den ganzen Zug für uns, als führen wir seit Ewigkeiten und würden für alle Zeiten weiterfahren. »Armand?« »Hmm?« »Erzähl mir etwas über dich«, bat ich. Er setzte sich erstaunt auf. »Wieso?« »Einfach so«, sagte ich. »Es interessiert mich. Ich würde gern mehr über dich wissen.« Ich sah ihn den Kopf schütteln, so als könne er nicht ganz glauben, was er da gerade gehört hatte. »Wie meinst du das? Über mich als Person oder über meine telekinetischen Kräfte?« »Deine telekinetischen Kräfte kenne ich inzwischen, danke«, entgegnete ich. »Nein, erzähl mir etwas über dich, deine Eltern, deine Kindheit, was dich interessiert, solche Sachen.« »Meine Eltern?« Er sprach das Wort aus, als höre er es zum ersten Mal. Er zögerte. »Was willst du wissen?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich – ich will dich doch nicht verhören oder so was. Erzähl mir einfach was. Ob du Geschwister hast, zum Beispiel. Was du für Musik magst.« »Was ich für Musik mag?« Er sah mich mit eigenartig geweiteten Augen an, wirkte regelrecht erschüttert. »Das hat mich noch nie jemand gefragt, weißt du das?« »Du machst Witze.« »Nein, ehrlich.« Ich runzelte die Stirn. »Vielleicht ist das in Frankreich anders, aber hier zu Lande reden die meisten Leute in unserem Alter über fast nichts anderes. Außer über Filme oder Computerspiele oder so.« »Ich habe keine Ahnung, wie das in Frankreich ist«, sagte Armand. »Wahrscheinlich so ähnlich. Aber ich weiß kaum noch, wie es ist, in eine normale Schule zu gehen.



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