Die Psycho-Trader: Aus dem Innenleben unseres kranken Finanzsystems by Volker Handon

Die Psycho-Trader: Aus dem Innenleben unseres kranken Finanzsystems by Volker Handon

Autor:Volker Handon [Volker Handon]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Westend
veröffentlicht: 2015-08-17T16:00:00+00:00


Vertrauenstsunami

Während ich in meinen Erinnerungen grabe, überholt mich gerade auf der rechten Spur in einem Affenzahn ein Ereignis, das in die globalen Börsengeschichtsbücher eingehen wird. Ich habe in den letzten 25 Jahren an der Börse schon so einiges erlebt, aber dieser 15. Januar 2015 löste, initiiert von einem kleinen Land, in dem es eigentlich nur hohe Berge gibt, einen Tsunami aus, dessen Schockwellen rund um den Erdball schwere Finanzverwerfungen zur Folge hatte, und nicht nur das. An diesem Tag verkündete Thomas Jordan, der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), ohne jede Vorwarnung die Freigabe des Wechselkurses zwischen Schweizer Franken und Euro. Das Beben, das Jordan damit auslöste, war auf gewisse Weise gravierender als die Flugzeuge, die am 11. September 2001 ins World Trade Center einschlugen. Denn während damals ein Sachschaden in Milliardenhöhe entstand und dreitausend Menschen ihr Leben verloren, wurde am 15. Januar 2015 das Vertrauen in die Politik einer der renommiertesten und erfolgreichsten Notenbanken zu Grabe getragen.

Noch rund siebzig Stunden zuvor hatte derselbe Notenbankpräsident Jordan die Bindung des Frankens als beinahe gottgegeben hingestellt und verkündet, ihn bedingungslos bei 1,20 Euro zu verteidigen – gemäß den Worten von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB): »What ever it takes.« Der plötzliche Sinneswandel, die seit drei Jahren konsequent verfolgte Strategie der Wechselkursbindung aufzuheben und den Franken ohne jede Vorankündigung freizugeben, löste eine Kaskade von Pleiten aus, die manche Unternehmen erst noch treffen wird. Die Deutsche Bank gab bekannt, einen Verlust von 150 Millionen Euro erlitten zu haben, ein neuseeländischer Broker 225 Millionen Dollar, ein amerikanischer Hedgefonds 1 Milliarde Dollar – alles innerhalb weniger Minuten. Der schweizerische Aktienmarkt erlebte einen Kurssturz, der in die Annalen als einer der stärksten Kursverluste aller Zeiten im Devisenhandel eingehen wird:. Der komplette Schweizer Aktienindex rutschte um steile 15 Prozent in den Keller. Das gab es in den letzten Jahrzehnten nicht, so ein Chart habe ich bisher selten gesehen.

Für mich hat mit diesem Tag eine neue Zeitrechnung begonnen. Ich glaube seitdem an alles und gleichzeitig an nichts mehr. Von nun an kann man sich in der Finanzwelt auf nichts mehr verlassen. Ob SNB-Boss Thomas Jordan, ob FED-Chefin Janet Yellen oder EZB-Präsident Mario Draghi: Egal, was sie sagen, es ist unter bestimmten Umständen nicht mehr das Papier wert, auf dem es steht.

Die Entscheidung, den Franken freizugeben, war sicher richtig, denn es war volkswirtschaftlich dämlich, drei Jahre zuvor die Aufwertung des Frankens überhaupt verhindern zu wollen. Klar, wenn man wie die Schweizer eine starke Volkswirtschaft hat und alle deren Währung wollen, notiert der Franken eben fest, das heißt, er steigt gegenüber Euro, Dollar und Co. an Wert. Darüber war die schweizerische Wirtschaftslobby nicht besonders amüsiert, weil der starke Franken schlecht für ihre Exporte war. Und aus diesem Grund erklärte sich die Schweizer Notenbank kurzerhand zum Retter der Wirtschaft, was eigentlich nicht ihre Aufgabe ist, und fixierte die Wechselkurse. Eine Notenbank sollte sich eigentlich um das Thema Geldwertstabilität kümmern und nicht der Erfüllungsgehilfe der Wirtschaft mit all ihren Wünschen und Bedürfnissen sein.

2012 fiel der Euro in Relation zum Franken auf ein Verhältnis von etwa eins zu eins.



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