Die Propaganda Matrix by Michael Meyen

Die Propaganda Matrix by Michael Meyen

Autor:Michael Meyen
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rubikon-Betriebsgesellschaft mbH
veröffentlicht: 2021-09-15T00:00:00+00:00


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ARENA 1: DISKURSORDNUNG

Dieser Abschnitt ist die größte Herausforderung – für mich und vielleicht auch für Sie. Im ersten Kapitel habe ich meinen Kollegen Mark Deuze zitiert mit seinem feinen Bild von den Fischen, die über das Wasser reden würden, wenn sie sprechen könnten. Jetzt wird der Hering Michael Meyen so tun, als ob er fliegen kann, und den anderen im Schwarm da unten sagen, in welcher Brühe sie umherschwimmen. Mehr noch: Dieser Hering wird behaupten, dass die Ostsee gerade gekippt ist und jederzeit wieder kippen kann. Es geht um Gift, das jahrzehntelang eingeleitet wird, sowie um Strömungen, die wortwörtlich mit dem Wetter zu tun haben, sich so jeder Kontrolle entziehen und trotzdem unmerklich Temperatur und Qualität ändern. Der fliegende Hering sagt: Kein Fisch muss in der Reuse enden. Und da die Südsee für die meisten keine Option ist, bleibt nur, sich um das Wasser hier vor Ort zu kümmern.

Ich sollte dazu vermutlich sagen, dass ich am Strand aufgewachsen bin und als kleiner Junge jeden Morgen die Fischer bewundert habe, die lange vor dem Aufstehen mit ihren Nussschalen in den Sonnenaufgang getuckert sind und dann stundenlang Heringe aus den Netzen gepokt haben. So sagt man das auf Platt. Die Diskursordnung ist für uns das, was für die Fische das Wasser ist. Niemand sieht diese Ordnung von außen – auch ich nicht. Alles, was wir glauben, wissen, sagen, tun, wird von dem bestimmt, was Michel Foucault Diskurs genannt hat. Zur Erinnerung: Dieser Begriff meint das »anonyme, zwingende Gedankensystem, das einer Zeit und einer Sprache angehört« und unser Denken und Handeln einzäunt.1 Das ist nah am fünften Filter von Edward S. Herman und Noam Chomsky (Antikommunismus als Token für die hegemoniale westliche Ideologie Ende der 1980er Jahre) und an dem, was bei Jacques Ellul soziologische Propaganda heißt. Chomsky hat den gleichen Gedanken auch im Klassiker Farm der Tiere gefunden – in einer unveröffentlichten Einleitung, in der George Orwell über das »stillschweigende Abkommen« schreibt und über die »strenge Glaubenslehre«, die in allen Gesellschaften zu einer »verschleierten Zensur« führen. Orwell meinte damit jene »Sammlung von Ideen, die alle vernünftigen Menschen ohne jegliche Hinterfragung anerkennen«.2 Bei Michel Foucault heißen diese Scheuklappen Diskurs.

Eine Zeit lang habe ich an einen DDR-Bonus geglaubt. Es mag zwar schwer sein, die »Glaubenslehre« der westlichen Gegenwartsgesellschaften zu entschlüsseln, aber, so habe ich mir eingeredet, für Menschen wie mich ist das schon deshalb etwas leichter, weil wir auf der anderen Seite der Mauer mit anderen Ideen aufgewachsen sind. Nur: So viel anders waren manche Ideen dort gar nicht. Glück als Lebensziel, die Geschichte als ewiger Fortschritt, der Glaube an Vernunft und Wissenschaft. Michel Foucault ist tief in die Vergangenheit eingetaucht und dabei buchstäblich zum Archäologen geworden, um Die Ordnung des Diskurses freilegen zu können, und hat trotzdem immer wieder vor seinen eigenen Scheuklappen gewarnt.3

Um das zu wiederholen: Die Diskursordnung bestimmt, was von wem wo und wie gesagt werden kann (und was eben auch nicht). Wahrheitsspiele. Der Raum des Sagbaren. Nach welchen Regeln werden bestimmte ›Fakten‹ zu einem bestimmten Thema ›wahr‹ und andere gleichzeitig



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