Die Knopfmacherin by Corinna Neuendorf

Die Knopfmacherin by Corinna Neuendorf

Autor:Corinna Neuendorf [Neuendorf, Corinna]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: Historischer Roman
ISBN: 9783843700450
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2011-08-10T22:00:00+00:00


16. KAPITEL

Am nächsten Tag schlich sich Melisande wieder gegen Mitternacht aus dem Haus. Diesmal begegnete sie dem Meister zum Glück nicht. Auch in den Straßen war nicht viel los, weder Betrunkene noch Hunde kreuzten ihren Weg. Die gesamte Stadt, so schien es, hatte sich vor der kalten Herbstluft verkrochen.

Auf dem Weg zum Altpörtel ging Melisande noch einmal durch, was sie den Wachen sagen wollte. Natürlich durfte sie nicht zugeben, dass sie Alinas Schwester war, sonst landete sie am Ende selbst schneller hinter Gittern, als ihr lieb war. Aber wenn sie nach einer Freundin fragte oder wenn sie vorgab, Alinas Verlobter zu sein, würden die Männer ihr vielleicht Auskunft geben.

Trutzig erhob sich das Stadttor schließlich vor ihr. In den Rundbogenfenstern des Türaufbaus glommen ein paar Lichter.

Unmittelbar vor dem Tor legte Melisande den Kopf in den Nacken und blickte angestrengt nach oben. Der Umriss eines Mannes kroch träge an einem der Fenster vorbei. War das ebenfalls ein Wächter?, überlegte sie. Oder ein Henkersknecht?

»Was suchst du hier, Bursche?«, schnarrte die Stimme eines Torwächters. Fest umklammerte er seine Hellebarde, bereit, jeden Moment die Waffe zu senken und zuzustechen.

»Ich will in den Kerker«, platzte es aus Melisande heraus, worauf der Wächter auflachte.

»Dann geh nur und stell etwas in der Stadt an, dann bist du schneller drin, als du dich umdrehen kannst!«

»So meinte ich das nicht.« Melisande schoss das Blut ins Gesicht. Merkte der Mann, dass sie ein Mädchen war? So glasig, wie er dreinschaute, hatte er sich gewiss einige Becher sauren Weins genehmigt, der den Wachen für ihre Dienste zustand. »Ich suche jemanden und fürchte, dass er hier sein könnte.«

Der Wächter musterte sie nun von Kopf bis Fuß. »Einer deiner Spießgesellen?«

»Nein, ein Mädchen. Sie …« Beinahe wäre ihr herausgerutscht, dass Alina etwas mit den Aufständischen zu tun hatte.

»Ein Mädchen, sagst du?« Der Wächter stützte sich auf seine Hellebarde. »Ich habe hier im Altpörtel schon lange kein Mädchen mehr gesehen. Wie sieht sie denn aus?«

»Sie hat rotes Haar und ist noch recht jung.«

»Eine kleine Hexe also!«

Die Worte des Wächters trafen Melisande wie ein Peitschenhieb. »Nein, sie ist keine Hexe. Das Ganze war ein Missverständnis.«

»Nun, darüber haben die Richter zu entscheiden, oder etwa nicht?«

Melisandes Kehle schnürte sich zusammen. Daran, dass Alina wegen Hexerei angeklagt werden könnte, hatte sie noch gar nicht gedacht. »Das haben sie, dennoch habe ich ein Recht darauf, sie zu sehen.«

Der Wächter schwieg eine Weile, dann beugte er sich ein Stück vor. »Vielleicht hast du das. Aber da musst du woanders suchen. Hier ist kein Mädchen, schon gar keins mit roten Haaren.«

»Woher wollt Ihr das so genau wissen?«, platzte Melisande heraus, bereute es aber sofort, denn der Blick des Mannes verfinsterte sich.

»Weil ich Tag für Tag hier stehe. Und wenn nicht, dann hätte mir einer meiner Kameraden davon berichtet. Und jetzt scher dich davon, sonst fährst du selbst in den Kerker ein.«

Melisande wich zurück. Die Frage, ob es noch andere Kerker in der Stadt gab, blieb ihr im Halse stecken.

»Dann habt Dank«, sagte sie noch rasch, wirbelte herum und rannte um die nächste Hausecke. Dort hielt sie inne und presste sich tief an die Wand, während sie heftig atmete.



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