Die Kirschendiebin by Schütz Helga

Die Kirschendiebin by Schütz Helga

Autor:Schütz, Helga [Schütz, Helga]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2017-02-28T23:00:00+00:00


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Die neuen Seniorengäste

Die neuen Seniorengäste konnten in dieser Saison nicht in den Wohnflügeln des Haupthauses untergebracht werden. Die Räume für die Alten wurden immer noch renoviert. Die Bücher der Bibliothek lagerten in Kisten. Das Vestibül mit dem Goldfischbecken war Abstellplatz für allerlei Handwerkszeug. Auf dem Sockel in der Mitte fehlte die Muschel mit der schönen Galathée. Die Goldfische schwammen in Badewannen.

Eimer mit Seerosen standen vor dem Portal.

Ausfallen durfte die Seniorenehrung nicht. Die beiden Kandidaten waren von den Bundesländern längst nominiert und umgehend in würdigen Kuverts benachrichtigt worden.

Jeweils zwei Länder hatten das Recht, einen Kulturschaffenden in die geschätzte vielberedete Institution nach Rom zu schicken. Sie oder er sollten nicht mehr die Jüngsten, dazu ein bisschen verdienstvoll sein, und sie oder er sollten, um den Einigungsprozess zu fördern, aus einem alten und aus einem neuen Bundesland kommen. Die Kombination hatte sich bewährt. Damals mit den beiden Gästen aus Mecklenburg und Meckenbeuren zum Beispiel.

Das Haupthaus, die Villa in Rom, war so in den Jahrzehnten nach der Einigung erst recht zum guten Ort geworden.

Die Regel Ost – West musste jetzt nicht mehr streng genommen werden. Den echten, in der Wolle gefärbten Ost- beziehungsweise Westler konnten die Kulturämter kaum noch ausfindig machen, ebenso mühsam war es, Kandidaten mit populären Verdiensten zu fischen. Das lange, oft randständige Leben als rechtschaffener Musenmensch, einstiger Lyrikredakteur, engagierter Hochschuldozent musste genügen.

Dagegen sollten die normalen sogenannten Stipendiaten eigentlich nicht über dreißig sein. Förderung junger Talente, das war das Grundanliegen, die Hauptbestimmung der von den Länderfonds und vom Berliner Senat gestützten Stiftung. Auch das war kein Dogma mehr. Unter den talentierten Startern tauchten immer häufiger Grauköpfe auf, sogar Fünfzigjährige galten als junge Künstler.

Die wahrhaft Alten traten nicht mehr hervor. Im Erscheinungsbild keine deutliche Trennung mehr.

Seniorengäste. Ehrengäste. Eine Erfindung, die einmal notwendig gewesen war, um bei den Länderbehörden die sinnvolle Nutzung des Haupthauses nachzuweisen. Die Gelderzuordnung hatte alle überzeugt. Aber die Praxis brachte Probleme. Das Haupthaus war marode. Seit Monaten wurde renoviert.

Und grade während dieser Zeit hatte der Winter trotz Erderwärmung im mediterranen Italien ziemlich heftig zugeschlagen. Das hatte niemand vorhersehen können. Die Handwerker blieben und sanierten sehr sorgfältig mit öffentlichem Geld.

Kaum eine halbe Stunde lag zwischen der Ankunft der beiden Neuen.

Die Hilfskräfte, Praktikanten, wie sie offiziell hießen, Neger, wie sie sich selber nannten, hatten Blumen, einen Korb mit Früchten, auch ein Paket Schreibpapier in die Unterkünfte der Alten gebracht. Alles war sauber und schön. Besonders schön war der Park in dieser Jahreszeit.

Es war Mai.

Ole, einer der Praktikanten, karrte den Kofferwagen mit dem Gepäck vom Haupttor des Parks, erst das eines warm angezogenen übernächtigten Herrn, der mit dem Nachtzug und Taxi sein Ziel erreicht hatte, ins normale Atelier A und eine halbe Stunde später das überraschend wenige Zeug, den gebührenfreien Koffer, die Kabinentasche einer Frau, die mit der Alitalia aus Berlin angereist war, ins Atelier F.

A und F, die Unterbringung galt als Notlösung. Bequem, modern, mit Andeutung neuester Technik und neuen Klavieren. Wie manchmal in der Not war die Lösung womöglich viel schöner, als es der ordentliche Ort hätte sein können.

In den Ateliers



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