Die Kinderkrankmacher by Frenkel Beate; Randerath Astrid

Die Kinderkrankmacher by Frenkel Beate; Randerath Astrid

Autor:Frenkel, Beate; Randerath, Astrid [Frenkel, Beate; Randerath, Astrid]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Herder GmbH
veröffentlicht: 2015-04-29T16:00:00+00:00


»Sie haben ihm seine Kindheit geraubt« – Warum einem Jungen Brüste wuchsen

USA, Bundesstaat Pennsylvania: Josh ist sechs Jahre alt, als seine Eltern 2004 Hilfe bei einem Neurologen suchen. Der Junge macht immer wieder unkontrollierte Bewegungen, stößt sich ständig, verletzt sich dabei. Der Facharzt diagnostiziert eine sogenannte Tic-Störung – das Tourette-Syndrom – und empfiehlt dem Jungen das Neuroleptikum Risperdal.

Risperdal mit dem Wirkstoff Risperidon gehört zu den am häufigsten verordneten Neuroleptika. Der Hersteller, das amerikanische Pharmaunternehmen Johnson & Johnson, betont auf Anfrage schriftlich, das Mittel sei in Deutschland nur eingeschränkt für Kinder zugelassen. In den USA wird Risperdal schon seit Jahren an verhaltensauffällige Kinder verschrieben, obwohl es erst 2006 dafür zugelassen wurde. Die möglichen Folgen dieser Behandlung wurden lange verharmlost.

Auch der Facharzt versichert Joshs Eltern, dass das Mittel unbedenklich sei. Cynthia S., die Mutter, erinnert sich: Er habe beteuert, Risperdal sei das sicherste Medikament, das es gebe. »Wir sollten der Pharmafirma vertrauen, dass sie nichts empfehlen würde, was Kindern schaden könnte«, erzählt sie. Was die Eltern damals nicht erfahren: Das Neuroleptikum ist zu diesem Zeitpunkt für Kinder nicht zugelassen. Sie glauben den Versicherungen des Arztes. Ihr Sohn nimmt das Medikament vorschriftsmäßig ein. Zunächst scheint das Psychopharmakon gut zu wirken, die Tics hören auf, der Junge wirkt gedämpft. Doch dann kommen erste Anzeichen einer körperlichen Veränderung. Josh ist zehn, als ihm Brüste wachsen. Was ihrem Sohn widerfuhr, hätte niemals passieren dürfen, sagt Cynthia S. heute.

Joshs Familie wohnt in einer kleinen Stadt, in einem kleinen Haus mit Garten. Hier kennt jeder jeden. Es sei ihm damals furchtbar peinlich gewesen, berichtet Josh über seinen Leidensweg. »Ich hatte Angst, weil ich dachte, das kann doch nicht normal sein.« Zunächst seien es nur kleine Knoten in der Brust gewesen, die allerdings sehr schmerzhaft waren. Der Arzt, den sie immer wieder aufsuchen, habe versucht zu beruhigen. Das sei ganz normal, so was könne in der Pubertät vorkommen und würde nach sechs Monaten wieder verschwinden, habe der Mediziner versichert. Doch die Knoten und die Schmerzen verschwinden nicht. Cynthia S. hat schon damals den Verdacht, dass der Zustand ihres Kindes mit Risperdal zusammenhängt und besteht deshalb darauf, dass ihr Sohn das Medikament nach und nach absetzt. Doch auch danach wachsen die Brüste weiter. Josh ist verzweifelt. »Ich hatte richtige Brüste, wie ein Mädchen«, erzählt er. »In der Schule haben sie sich über mich lustig gemacht, ich habe mich geschämt, es war schrecklich.« Josh zieht sich immer mehr zurück, will keinen Sport mehr machen, um zu vermeiden, dass er im Umkleideraum das T-Shirt vor anderen wechseln muss. Auch im Urlaub mit der Familie versteckt er seinen Körper. Nur ein paar wenige Fotos aus der Zeit zeigen einen sportlichen Jungen, im Schwimmbad auf den Schultern des Bruders mit nacktem Oberkörper. Und mit weiblichen Brüsten.

Brustwachstum bei Jungen? David Kessler, der ehemalige Chef der amerikanischen Gesundheitsbehörde »Food and Drug Administration« (FDA), erhebt deshalb schwere Vorwürfe gegen den Hersteller von Risperdal. Schon in einer 2003 veröffentlichten Studie habe der Hersteller Johnson & Johnson mögliche Nebenwirkungen des Medikaments verharmlost und nur deshalb die Zulassung von Risperdal erst für Erwachsene und dann 2006 für Kinder erhalten.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.