Der Sinn des Sinns by Gerhardt Volker
Autor:Gerhardt, Volker [Gerhardt, Volker]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406669354
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-01-12T05:00:00+00:00
Kapitel 5
Der Sinn des Sinns
Das Göttliche als Bedeutung der Welt
«Davon bin ich allein selig, daß Gott vernünftig ist und ich dies erkenne.»
(Meister Eckhart, Dt. Pred. 10)
1. Existenzieller Anspruch und epistemische Überforderung. Nur der Mensch strebt nach dem Göttlichen, und es dürfte zu den glücklichsten Dispositionen seiner Natur gehören, dass er in der Lage ist, sich seinem Ziel umso näher fühlen zu können, je schlechter es ihm geht. Das Göttliche erlaubt ihm, über alle Mängel seines Daseins hinwegzusehen. Die Tragik ist nur, dass er in diesem Bestreben nicht nur über sich hinaus- und von sich loskommen will, sondern sich eben dabei notwendig überfordert. Denn um auch nur angemessen über das Göttliche sprechen zu können, brauchte er selbst göttliche Eigenschaften, deren Fehlen ihm das Göttliche so wichtig machen. Als Mensch kann er lediglich mit menschlichen Mitteln erkennen, denken und handeln. Damit aber reicht er bestenfalls an das Göttliche heran, ohne es jemals erfassen zu können.
Je entschiedener der Mensch nach Gott verlangt, um damit über das bloß Menschliche hinauszugehen, umso deutlicher muss ihm werden, dass er die Gegenwart, die ihm konstitutionell nicht genügt, gar nicht überwinden kann. Es ist die Erkenntnis, die ihm beides gleichermaßen zu verstehen gibt: das Unvollkommene seiner Lebenslage und das Unzulängliche aller Mittel, die nötig wären, die menschliche Welt mit der Aussicht auf das Göttliche verlassen zu können.
Es kann nur eine Erkenntnis sein (wie etwa die Einsicht in die Vergänglichkeit aller Dinge), die das Verlangen nach dem Bleibenden stimuliert. Doch es ist ebenfalls eine Erkenntnis, die dem Menschen vor Augen führt, dass er das Heil der Dauer niemals erlangen kann. Auf welches epistemische Verfahren er auch setzt: Es wird ihm nie die Gewissheit geben, nach der er verlangt, wenn er sich hilfesuchend an die Götter wendet.
Das Unzureichende aller Erkenntnis des Göttlichen liegt zum einen darin, dass sie letztlich doch nur in weltlichem Wissen verbleibt. Alles Erkennen ist auf Sachverhalte gerichtet, die zur gemeinsamen Welt der Menschen gehören. Ihre Funktion ist wesentlich auf die Mitteilung zwischen den Individuen beschränkt. Damit steht der gleichermaßen kommunikative wie mundane Charakter aller Erkenntnis außer Zweifel; sie dient der von praktischen Zwecken ausgehenden Verständigung zwischen Menschen. Die können sich zwar, allein oder im Verein mit anderen, um einen Zugang zum Göttlichen bemühen, aber sie haben keine Aussicht, auf diese Weise etwas über das Göttliche selbst in Erfahrung zu bringen.
Menschen können zwar sagen, wie sie Gott verstehen; sie können sich auch darauf einigen, das Göttliche als Ursprung, Wesen, Grund oder als ein die Welt überschreitendes Ziel anzusehen. Aber ein Wissen davon, dass Gott diese oder andere Aufgaben wirklich zukommen, haben sie nicht. Sie können es allein schon deshalb nicht erwerben, weil es Wissen nur in der Form von Aussagen über Gegenstände gibt, zu denen Gott, allein schon seinem Begriff nach, nicht gehört. Er ist stets mehr als das, was sich über Tatsachen sagen lässt, mehr auch als das, was wir über deren mögliche Relationen ausmachen können. Also reicht das menschliche Wissen in seinen synthetischen und analytischen Leistungen, in denen es sich, wie dies in Logik und
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