Der Ruf des Falken by Brigitte Blobel

Der Ruf des Falken by Brigitte Blobel

Autor:Brigitte Blobel [Blobel, Brigitte]
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Der Händler sprang sofort auf, als er sah, daß Freddy auf sein Geschäft zusteuerte. Er scheuchte einen halbnackten Jungen, der eben hinter dem Vorhang aus bunten Plastikschnüren heraustreten wollte, mit einer herrischen Geste zurück, glättete seinen Burnus und eilte mit ausgebreiteten Armen auf Freddy zu. Dabei mußte er achtgeben, daß er nicht über die vielen Dinge stolperte, die er auf den Teppichen ausgebreitet hatte. Mit einem Blick konnte Nadine feststellen, daß sie nichts davon wollte. Die Taschen waren Repliken von Hermes-Modellen aus den siebziger Jahren, die Reisebeutel billige Imitate, die wahrscheinlich aus Taiwan eingeführt wurden, und an der Wand hingen Plastiksandalen, braun und schwarz, alle identisch, mit einer dicken Staubschicht überzogen. Im hinteren Teil des Geschäftes jedoch stapelten sich weiße Kartons, und auf jedem Stapel waren dramatisch Schuhe dekoriert, braun, poliert, aber auch rot, mit hohem Absatz, und schwarz, aus Lack mit goldenen Rosetten.

»Freddy, mein Freund und Bruder!« rief der Händler. Er strahlte. Er breitete die Arme aus, er schlug Freddy auf die Schultern und küßte ihn innig, wobei er es sorgfältig vermied, auch nur einen einzigen Blick auf Nadine zu werfen.

Sie hatte sich bereits daran gewöhnt, daß sie für viele arabische Männer nicht existierte (oder nicht existieren durfte), und gefiel sich ganz gut in der Rolle.

Während die Männer sich küßten, miteinander lachten und aufeinander einredeten, was Nadine nicht verstand, schaute sie sich in dem Laden um. Es war eines von den Geschäften, wie es sie in arabischen Bazaren Tausende gab. Nadine konnte nicht erkennen, warum Freddy gerade diesen Laden ausgesucht hatte. An der Wand, auf einem grellbunten Seidenteppich, prangte ein Foto des Scheichs, in kitschigem Goldrahmen. Nadine trat an das Bild heran und studierte es. Der Scheich sah auf jedem Bild anders aus, aber immer hatten die Hofmaler es geschafft, diesen unbestechlichen, durchdringenden Blick seiner Augen einzufangen. Nie spielte ein Lächeln um seinen schmalen Mund. Die Stirn war glatt und hochgewölbt, die Nase groß und scharf.

»Yes, Madame, this is our Royal Highness, the Scheich bin Sultan al Maktoum, Allah segne jeden seiner Schritte und hüte seinen Tag. Allah sorge dafür, daß die Sonne immer senkrecht über ihm steht und daß ihn nachts süße Träume in den Schlaf wiegen.«

»Es ist gut, Didouf«, sagte Freddy barsch, »sie erwartet solche Reden nicht. Du kannst aufhören.«

Nadine lächelte. »Es gefällt mir«, sagte sie, »ist das aus einem Gedicht?«

»Es ist aus dem faulen Mund von Didouf, es ist eine Ausgeburt seines vom Kif verstörten Gehirns. Allah wird seine Sonne für den Scheich auch scheinen lassen, wenn du deinen dreckigen Mund hältst, Didouf.«

Didouf verschränkte die juwelengeschmückten Finger ineinander und verbeugte sich vor Nadine. Er betrachtete ihre Schuhe. »Zu Ihren Diensten, Miss. Ich habe gehört, Sie kommen aus Deutschland. Ein wunderbares Land. Möge Allah seinen Menschen Vernunft geben.«

Nadine lachte. »Heißt das, sie haben bislang nicht genug Vernunft?«

Freddy zerrte Didouf weg. »Hören Sie nicht auf ihn, Miss. Sagen Sie ihm lieber die Schuhgröße.«

»Neununddreißig.«

»Was soll das sein?« erstaunt hob der Händler die Augen.

»Neununddreißig?«

»Meine Schuhgröße.«

Der Händler führte Nadine hinter einen Stapel von Schuhkartons und bat sie, auf einem Holzschemel Platz zu nehmen.



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