Der Himmel stirbt nie by Speyer Eugen

Der Himmel stirbt nie by Speyer Eugen

Autor:Speyer, Eugen [Speyer, Eugen]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-8042-3003-3
Herausgeber: Boyens Buchverlag


30

Henning Swyn hielt inne, duckte sich tief hinunter und schlich hinter einen Stapel Rundhölzer. Nur hundert Schritte weiter stand sein Vater. Mit dem Rücken zu ihm. Mitten auf einer kleinen eingezäunten Weide. Vor ihm ein junger Hengst. Beide sahen sich an. Henning wußte, daß sein Vater sich schon seit Tagen bemühte, das Pferd an Menschen zu gewöhnen.

„Es ist förmlich verwildert“, hatte ihm sein Vater erzählt, der den dreijährigen Schimmel mit Sachverstand später als wertvollen Zuchthengst einsetzen wollte. Denn er hatte eine kräftige Statur, gut gelagerte Schultern, einen auffallend langen Hals und ausdrucksvollen Kopf. Hoffentlich vermochte das Pferd den Verführungskünsten seines Vaters zu widerstehen, dachte Henning schmunzelnd. Er gönnte seinem Vater zwar einen Sieg, jedoch keinen schnellen – auch wenn er auf ihn sehr stolz war.

Und dann traute Henning seinen Augen nicht: Der junge Hengst ließ sich mit einem Mal behutsam berühren, dann streicheln und schließlich führen. Ohne Zaumzeug und ohne Leine. Er reagierte sogar auf Vaters Armbewegung und sogar auf das Handzeichen, das ihn zurückschickte, wenn er schneller wurde, um Swyn zu überholen.

Henning klatschte Beifall, was den Schimmel leicht erschreckte, ihm aber auch nicht sonderlich zu schrecken schien. Willig schritt er weiter neben Peter Swyn einher. Der steuerte nun geradewegs auf seinen Sohn zu und lächelte. Der nunmehr Siebzehnjährige, schlank und rank wie nun mal Jungen in diesem Alter sind, schien ganz in seine Fußstapfen treten zu wollen, dachte Swyn mit väterlichem Stolz. Jedenfalls vertrat er mit seinen jungen Jahren den Vater beinahe vollkommen auf dem Swynschen Hof, wenn dieser auf Geschäftsreisen oder als Regent für das Land unterwegs war. Außerdem erhielt er von Hauslehrern und Mönchen des Lundener Klosters Unterricht in allen Fächern, von Latein über Rechtskunde und Theologie bis hin zur Mathematik und Historie.

Herzlich umarmten sich beide, als Swyn mit dem Junghengst bei ihm angelangt war.

„Setz dich, mein Sohn“, sagte Swyn. Beide ließen sich im Gras nieder. Der Schimmel beugte seinen Hals tief hinunter, und sogleich zupften die Lippen einige Halme auf.

„So feierlich?“ Henning blickte seinen Vater aufmerksam an.

„Nicht feierlich“, lächelte Swyn, „aber ein bißchen mulmig ist mir schon.“

Überrascht hob Henning die Brauen: „Du und mulmig?“

Swyn druckste kurz herum, hob mit einem Mal sein Gesicht und sah Henning beinahe bittend an: „Ich möchte wieder heiraten.“

Henning öffnete seinen Mund, wollte etwas sagen, bekam aber kein Wort heraus.

„Da staunst du, oder?“ Erwartungsvoll schaute Swyn seinen Sohn an.

Der junge Mann nickte, flüchtete sich aber in hilfloses Schweigen.

„Wer ist die Glückliche?“ Henning erholte sich erst nach einiger Zeit von seiner Überraschung.

„Gretje Russe.“

„Gretje Russe?“

„Ja, Gretje Russe. Ich werde in den nächsten Tagen Johann Russe aufsuchen und um die Hand seiner Tochter anhalten.“ Und dann redete Swyn auf seinen Sohn ein, als müßte er sich für seinen Entschluß entschuldigen. „Vor allem Hebbeke, deine junge Schwester, braucht weiblichen Zuspruch und eine mütterliche Freundin.“ Und noch eines, schob Swyn hastig nach, die uralte Fehde zwischen den Russes und Swyns würde ein für allemal ein Ende haben.

Henning hörte seinem Vater wortlos bis zum Ende zu. „Ich habe mit Gretje Russe als Stiefmutter kein Problem“, stellte er lakonisch fest und überraschte seinen Vater damit „Aber du, liebst du sie überhaupt?“, setzte er nach.



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