Der feine Unterschied by Philpp Lahm

Der feine Unterschied by Philpp Lahm

Autor:Philpp Lahm [Lahm, Philpp]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: ()
veröffentlicht: 2012-03-18T10:13:20+00:00


11. Kapitel

WIE GEIL IST DAS DENN ...

Die WM 2010. Geburt einer großen Mannschaft

Wie man Pech in Glück verwandelt - das Beschwören von Vertrauen - wie Erfolg sich auswirkt — die Kunst, Entscheidungen zu erzwingen - in Spielrausch geraten - Vorbereitung auf große Partien— Grenzen des Wachstums — die Reife der Sieger

Das Training ist verblüffend wie ein Film von Pedro Almodovar. Dauernd passiert etwas Unvorhergesehenes. Jungs, die gerade erst zur Nationalmannschaft gestoßen sind, packen grandiose Tricks aus. Stürmer, die in der Bundesliga Ladehemmung hatten, treffen aus den unmöglichsten Positionen ins Tor. Ein Torhüter, der gerade noch als Youngster galt, steht plötzlich so groß und eindrucksvoll zwischen den Pfosten, als hätte man für ihn das Tor geschrumpft. Und es wird gelacht. Es wird viel gelacht. Manchmal, wenn auf dem Trainingsplatz ein Wort das andere gibt, frage ich mich, ob das wirklich die Deutsche Nationalmannschaft ist, die kurz vor der WM in Südafrika eine Pechsträhne hat.

Innerhalb weniger Tage mussten René Adler, Michael Ballack, Simon Rolfes, Heiko Westermann und Christian Träsch für die Reise nach Kapstadt absagen. Der erweiterte Kader, aus dem sich am Schluss die 23 Mann rekrutieren, die Deutschland in Südafrika vertreten werden, ist plötzlich nur noch 24 Mann groß, und für einen Augenblick lang herrscht betretene Stimmung im Camp, als Andreas Beck vom Bundestrainer die Mitteilung bekommt, dass ausgerechnet er es ist, für den kein WM-Ticket mehr gelöst werden kann.

Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger gewöhnen sich im zentralen Mittelfeld so schnell aneinander, dass es bald so aussieht, als wären sie als Zwillinge im Geist geboren. Mesut Özil spielt Bälle, die so elegant sind wie die Klamotten von Strenesse, die wir für unsere offiziellen Auftritte bekommen. Manuel Neuer strahlt im Tor die Ruhe eines großen Routiniers aus.

Ich bin 26, einer der Ältesten dieser Mannschaft und seit sechs Jahren dabei. Aber noch nie habe ich in der Vorbereitung auf ein Turnier eine Mannschaft erlebt, die so talentiert, so engagiert, so gut drauf ist. Nominell müssen wir zwar Mängel verwalten, aber ich habe kein schlechtes Gefühl. Als mich in Südafrika ein Journalist fragt, wie ich die Qualität dieser jungen, ersatzgeschwächten Mannschaft einschätze, antworte ich wahrheitsgemäß: »Das ist die beste Deutsche Nationalelf, in der ich je gespielt habe.«

Die verblüffte Gegenfrage lautet: »Ist das Ihr Ernst?« Schließlich müssen wir auf einige Stammspieler verzichten. Die Mannschaft, die zum Eröffnungsspiel gegen Australien auflaufen wird, wird noch nie in dieser Aufstellung zusammen gespielt haben.

Aber auch wenn die Fakten gegen mein Gefühl sprechen: ich sehe während des Trainings die Qualität unserer Spieler, wie sie sonst niemand sieht. Wir haben Spieler, die ins Dribbling gehen und jederzeit den entscheidenden Pass spielen können. Wir entwickeln auf vielen Positionen Torgefahr, zum Teil auf ganz unkonventionelle Weise. Da sind Spieler, die etwas Überraschendes, Kreatives machen können und auf diese Weise Räume öffnen und eingefahrene Spielsituationen über den Haufen werfen. Hatten wir vor vier Jahren bei der WM in Deutschland mit Bernd Schneider einen »Brasilianer«, haben wir jetzt fünf, sechs, sieben, acht. Genau das hat uns in den letzten Jahren immer gefehlt.

Noch 2008 bestand die Qualität dieser Mannschaft vor allem darin, dass sie schwer zu schlagen war.



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