Das Haus unter den Zypressen Roman by Katja Maybach

Das Haus unter den Zypressen  Roman by Katja Maybach

Autor:Katja Maybach [Maybach, Katja]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426416945
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2014-11-23T16:00:00+00:00


18

Giuliana radelte im Stehen auf der geraden Straße nach Florenz. Ihr einziger Gedanke war, so schnell wie möglich wieder in der Casa Sophia zu sein. Dazu kam, dass sie sich krank fühlte. Zudem war sie mit dem Gefühl einer unbestimmten Angst losgefahren. Maria war nicht gekommen. Arbeitete sie noch an der Torte? So konnte niemand Claus warnen, wenn Gefahr drohte.

Giuliana fühlte sich müde und zerschlagen. Und so schnell sie auch radelte, sie hatte das Gefühl, die Straße nehme kein Ende. Ihr rann der Schweiß über den Rücken, und sie spürte, dass das Fieber stieg. Oder waren es nur ihre Nerven, die allmählich versagten?

Die Straße lag einsam vor ihr, ein endloses Band, gesäumt von Pappeln und Zypressen. Giuliana verlangsamte keuchend ihre Fahrt. Suchend sah sie sich um, bis sie eine tiefe Böschung neben der Straße entdeckte. Sie bremste scharf, sprang vom Rad, lehnte es an einen Baum und nahm den braunen Kartoffelsack von ihrem hinteren Gepäckträger, der die Sachen von Claus enthielt. Hier unten, neben der Straße, weit von der Casa Sophia entfernt, würde sie ihn verstecken. Sie kletterte den kleinen Abhang hinunter und schaufelte mit ihren Händen hastig eine Mulde unter einem Strauch. Wenn sie den Sack hineinlegte und mit Erde und Laub bedeckte, würde ihn niemand finden. Vorher überprüfte sie rasch die Uniform und die anderen Sachen noch einmal, ob wirklich nichts daran auf Claus von Welsers Identität hinwies. Seine Identifikationsmarke hatte sie unter ihrer Matratze im Schlafzimmer versteckt, sie konnte sich einfach nicht von ihr trennen. Rasch tastete sie auch die Uniformjacke ab, den Blick immer auf die Straße gerichtet. Als sie die Jacke gerade in den Sack zurückstopfen wollte, spürte sie durch den Stoff hindurch einen harten kleinen Gegenstand in der Innentasche. Neugierig griff sie hinein und zog ein Medaillon heraus. Auf Druck schnappte es sofort auf. Es enthielt das Foto einer jungen, hübschen Frau. Langsam ließ Giuliana die Hand sinken. Mechanisch schob sie die Jacke in den Sack zurück, zog das Band zu und versteckte ihn unter dem flachen Gestrüpp, den welken Blättern und der aufgeworfenen Erde. Dann kletterte sie hastig die Böschung wieder hoch, erleichtert, dass niemand sie entdeckt hatte. Einsam dehnte sich die Straße vor ihr aus. Ihre Hand umklammerte fest das goldene Medaillon.

Giuliana setzte sich erschöpft neben ihrem Fahrrad auf den Boden. Zuerst empfand sie gar nichts, erst nach und nach ließ sie die Gefühle zu und spürte dann eine tiefe Enttäuschung, ein bitteres Erwachen.

Ti amo, hatte er gesagt, und sie hatte ihm geglaubt. Ti amo …

Als er mit ihr zusammen war, als sie seine Geliebte wurde, als sie alles für ihn riskierte, hatte er da verdrängt, dass in Deutschland eine Frau auf ihn wartete? Mit zitternden Händen ließ sie das Medaillon noch einmal aufschnappen. Auf dem kleinen Foto konnte man helles Haar und ein offenes Lächeln erkennen.

War sie zu naiv gewesen? Wie konnte sie annehmen, dass ein Mann wie Claus von Welser keine Frau oder Verlobte besaß? Er hatte gelebt, bevor er eingezogen wurde, er hatte studiert, eine Frau geliebt, mit der er vielleicht sogar verheiratet war.



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