Das Genom by Ernst Peter Fischer

Das Genom by Ernst Peter Fischer

Autor:Ernst Peter Fischer [Fischer, Ernst Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105600726
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-07-28T16:00:00+00:00


Sequenzieren ohne Ende

Auf einer Konferenz, die Anfang Februar 2002 in Miami (Florida) unter dem Titel The Genome and Beyond – Structural Biology for Medicine stattfand, konnte ein Besucher erfahren, wie ungeheuer dramatisch das technische Geschehen in der molekularen Biologie zur Zeit ist. In diesen Tagen werden weltweit in allen sich mit Sequenzierung beschäftigenden Laboratorien zusammen rund zwei- bis dreitausend Bausteine von Erbmolekülen nicht pro Tag, pro Stunde oder pro Minute, sondern pro Sekunde gelesen und in Dateien überführt. Der genetische Text, der sowohl für die Wissenschaft als auch für die Öffentlichkeit im Computer zugänglich wird, nimmt im Sekundentakt um zwei- bis dreitausend Buchstaben zu, was heißt, dass in der Zeit, die jemand braucht, um eine Zeile dieses Buches zu lesen, mehrere Seiten hinzugekommen sind.

Was vielleicht beim ersten Hören deprimierend erscheinen mag, kann führende Genomforscher wie den Amerikaner Eric Lander vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge (Massachusetts) nur begeistern, der maßgeblich zu der Arbeit des »International Human Genome Sequencing Consortiums« beigetragen hat, das im Februar 2001 die Sequenz des menschlichen Genoms in der Zeitschrift Nature publiziert hat. Lander träumt mit den vielen Genomsequenzen das zu tun, was alle Zellen immer schon tun, nämlich sie richtig zu lesen, um auf diese Weise der Evolution auf die Schliche zu kommen. Genome sind für ihn so etwas wie Laborbücher der Evolution, wie er auf der Konferenz sagte. In den Genomen hält die Evolution seiner Sicht nach die Versuche fest, die sie mit dem Leben anstellt, und der Wissenschaft muß es gelingen, ihre Eintragungen (Variationen) zu verstehen und nachzuvollziehen. Je mehr Informationen Lander bekommen kann, desto besser sind für ihn die Aussichten, die Vielfalt des Lebens und seine Evolution verstehen zu können, und zwar durch den Blick auf das Genom allein.

Als Beispiel für die sich abzeichnenden Möglichkeiten nannte Lander die genetischen Sequenzen, die einer Zelle sagen, wie einige der Proteine gebaut werden, die am Zustandekommen des Geruchssinns beteiligt sind. Die Wissenschaftler konzentrieren sich dabei vor allem auf Proteine, die Signalmoleküle an sich binden – angefangen bei den Geruchsstoffen selbst bis hin zu den Botenstoffen, die das von außen kommende Signal ins Gehirn leiten. Experten nennen den Riechnerv Nervus olfactorius und reden dann entsprechend von olfaktorischen Rezeptoren. Nun kann man deren Gene in den Blick nehmen, und wenn man dies tut, wird man feststellen, dass es in Mäusen sehr viel mehr davon gibt als in Menschen. In unserem Genom sind die Riechrezeptorgene eher verkümmert, was konkret heißt, dass viele Sequenzen, die im Mäusegenom aktiv sind und deren Produkte das Riechsystem bereichern, bei Menschen ungenutzt mitgeschleppt werden. Die Sequenzen sehen auf den ersten Blick zwar so aus, als ob sie den Zellen als Gen zur Verfügung stehen, doch das nähere Hinsehen zeigt, dass sie nicht abgelesen und umgesetzt werden. Die Riechrezeptorgene sind im Menschen zu Pseudogenen geworden, wie man sagt, und so lässt sich auch durch eine Genomanalyse erkennen, was wir aus unserem Leben wissen: Wir sind – im Vergleich zu Mäusen – mehr Augen- als Nasenmenschen und gebrauchen unseren Geruchssinn weniger als unseren Sehsinn.

Lander



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