Das Ende der westlichen Weltordnung: Eine Erkundung auf vier Kontinenten (German Edition) by Andrea Böhm

Das Ende der westlichen Weltordnung: Eine Erkundung auf vier Kontinenten (German Edition) by Andrea Böhm

Autor:Andrea Böhm [Böhm, Andrea]
Die sprache: deu
Format: azw3
Herausgeber: Pantheon Verlag
veröffentlicht: 2017-10-01T16:00:00+00:00


KAPITEL 7

Garten Eden – 31º 0'57'' N, 47º 25' 50'' O

Mauro, die Suche nach dem Garten Eden hat sich hingezogen. Der Irak ist kein Land, in dem Reisen wie geplant verlaufen. Aber ich habe endlich einen möglichen Fundort auf meiner »Landkarte für Touristen« eingezeichnet. Meine Informationsquelle kennen Sie ja: Das Alte Testament, erstes Buch Mose.

»Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen. Der eine heißt Pischon; er ist es, der das ganze Land Hawila umfließt, wo es Gold gibt …

Der zweite Strom heißt Gihon; er ist es, der das ganze Land Kusch umfließt. Der dritte Strom heißt Tigris; er ist es, der östlich an Assur vorbeifließt. Der vierte Strom ist der Eufrat.«

Hinter Pischon und Gihon hat man den Ganges, den Nil oder den Amu Darya in Zentralasien vermutet. Euphrat und Tigris sind eindeutig zu identifizieren. Bloß entspringen sie nicht einer gemeinsamen Quelle, sondern vereinen sich am Ende zum Schatt al Arab. Für die Spekulation, im Südirak könnte sich einst eine Landschaft des Überflusses und des Glücks befunden haben, reichen diese Zeilen allemal. So stößt man auf den Namen der Stadt, in der Euphrat und Tigris zusammenfließen: Qurna. Und auf die möglichen Koordinaten für den Garten Eden: 31º 0'57'' N, 47º 25' 50'' O.

Um dorthin zu gelangen, muss ich von Bagdad zurück in den Süden Richtung Basra. »Venedig des Ostens«, »Stadt von Sindbad, dem Seefahrer« – Basra hatte früher verheißungsvolle Spitznamen. Auf meiner Touristenkarte sind Fische eingezeichnet, die reiche Nahrung und saubere Gewässer versprechen. Schwarze Würfel markieren antike Ruinen, gelbe Kuppeln islamische Heiligtümer, Palmen die nahe Grenze zum Iran. »Es ist üppig bewachsen, voller Bäume und Gärten«, schrieb der britische Reiseschriftsteller Gavin Young 1980 über Basra, »und Kanus gleiten über die spiegelglatte Oberfläche ruhiger Lagunen. Man glaubt, dass Löwen, sogar Drachen oder der Vogel Roch aus Tausendundeiner Nacht erscheinen könnten.«1

Hussein heißt der Fahrer meines »Obama« von Bagdad in den Süden. Bullige Statur, ausrasierter Nacken, schwarzer Schnauzbart. So stelle ich mir eine Kreuzung aus deutschem Burschenschafter und Saddam Hussein vor. Aber dieser Mann ist die Freundlichkeit in Person und trägt seinen Namen nicht in Andenken an den Diktator, sondern an den von den Schiiten zutiefst verehrten Enkel des Propheten Mohammed, den Imam Hussein ibn Ali. Taxifahrer Hussein wird mir noch sympathischer durch den Umstand, dass er zwecks Aufbesserung seines Einkommens Alkohol aus dem nicht ganz so trockenen Bagdad ins knochentrockene Basra schmuggelt. Was in diesen Tagen einfacher ist als sonst.

Die Straße Richtung Süden ist fast völlig leer, Kontrollen sind spärlich. Wir fahren buchstäblich gegen den Strom. Das Land steckt zwischen den höchsten schiitischen Feiertagen und damit mitten in einer Völkerwanderung. Nach Aschura, den Prozessionen im Gedenken an den Tod des Imam Hussein, machen sich die Schiiten auf den Weg nach Kerbala, um dort 40 Tage später zu den Feierlichkeiten von Arbaeen an seinem Schrein einzutreffen.

Es ist die klassische Geschichte des David gegen Goliath. Nur verliert in diesem Fall der Schwächere und stirbt den Märtyrertod. Hussein ibn Ali, Enkel des Propheten, Sohn des



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