City by Alessandro Baricco

City by Alessandro Baricco

Autor:Alessandro Baricco [Baricco, Alessandro]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783455171426
Herausgeber: Hoffmann und Campe
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


19

»Gould, hallo?«

»Hallo, Papa.«

»Hier ist dein Vater.«

»Hallo.«

»Alles klar?«

»Ja.«

»Was ist das für eine Geschichte mit Couverney?«

»Sie haben mich nach Couverney eingeladen.«

»Was heißt das?«

»Sie machen da Forschungen. Sie wollen, dass ich mit ihnen zusammenarbeite.«

»Das scheint eine tolle Sache zu sein.«

»Ich glaube schon.«

»Und weiter?«

»Nichts weiter, sie haben mich für drei Jahre eingeladen, sie besorgen mir eine Unterkunft an der Universität und zahlen mir zwei Reisen im Jahr, damit ich nach Hause fahren kann, wenn ich will.«

»Ostern und Weihnachten.«

»Zum Beispiel.«

»Das scheint eine tolle Sache zu sein.«

»Ja.«

»Couverney ist am anderen Ende der Welt.«

»Ja, es ist weit weg.«

»Das Essen ist da ziemlich übel, ich war mal da, nicht an der Universität, aber in der Gegend, da schmeckt irgendwie alles nach Fisch.«

»Da muss es ganz schön kalt sein.«

»Wahrscheinlich.«

»Kälter als hier.«

»Sie zahlen dir doch was dafür, oder?«

»Wie?«

»Ich meine, zahlen sie gut?«

»Ich glaube schon.«

»Das ist eine wichtige Frage. Was sagt denn Rektor Bolder?«

»Er sagt, es ist eine Menge Geld für einen Fünfzehnjährigen.«

»Nein, überhaupt, was sagt Rektor Bolder insgesamt zu der Sache?«

»Er sagt, es ist eine großartige Chance. Ihm wäre es aber lieber, wenn ich hier bliebe.«

»Der alte Bolder. Ein anständiger Kerl, weißt du? Dem kannst du vertrauen.«

»Er sagt, es ist eine großartige Chance.«

»Das muss so ähnlich sein, wie nach Wimbledon eingeladen zu werden. Ich meine, für einen Tennisspieler.«

»Mehr oder weniger.«

»Als würde man Tennis spielen, und eines Tages bekommt man einen Brief, in dem steht: Wir bezahlen Sie, wenn Sie uns die Ehre erweisen, hier zu spielen. Verrückt, was?«

»Schon.«

»Ich bin stolz auf dich, mein Sohn.«

»Danke, Papa.«

»Wirklich verrückt.«

»Ziemlich.«

»Mama wird sich freuen.«

»Was?«

»Mama wird sich freuen, Gould.«

»Sagst du es ihr?«

»Ja, ich sag es ihr.«

»Wirklich?«

»Ja.«

»Wirklich?«

»Sie wird sich freuen.«

»Aber sag ihr nicht, dass ich es mache, ich weiß noch nicht, ob ich es mache, ich meine, sie haben mich ja gerade erst gefragt.«

»Ich werde ihr sagen, dass sie es dir angeboten haben, nur das sag ich ihr.«

»Ja.«

»Und dass es eine tolle Sache ist.«

»Ja, erklär ihr, dass es eine tolle Sache ist.«

»Sie wird sich freuen.«

»Ja, gute Idee, sag es ihr.«

»Ich sag es ihr, Gould.«

»Danke.«

»…«

»…«

»Wann willst du dich denn entscheiden?«

»Ich weiß nicht.«

»Müsstest du sofort fahren?«

»Im September.«

»Dann hast du noch ein bisschen Zeit.«

»Ja.«

»Das ist eine großartige Chance, die solltest du dir vielleicht nicht entgehen lassen.«

»Das sagen hier alle.«

»Aber du entscheidest selbst, verstanden?«

»Ja.«

»Du hörst dir alle an, und dann entscheidest du selbst.«

»Ja.«

»Es ist dein Leben, das auf dem Spiel steht, nicht ihres.«

»Stimmt.«

»Und du musst nachher an die Front, nicht sie.«

»Welche Front?«

»Ist nur eine Redensart.«

»Ach so.«

»Das sagt man so.«

»Ach so.«

»Ich hatte mal einen Oberst, der hatte eine schöne Redensart parat. Wenn die Sache kompliziert wurde, sagte er immer denselben Satz. Mit der Sonne in den Augen wird man braun und schießt nicht. Das sagte er sogar bei Regen, das Wetter war völlig gleichgültig, die Sonne war nur ein Symbol, verstehst du, das war so eine Redensart, die gilt auch bei Schnee oder dichtem Nebel, mit der Sonne in den Augen wird man braun und schießt nicht. Das sagte er immer. Jetzt sitzt er im Rollstuhl. Eine Kugel hat ihn beim Schwimmen erwischt. Sie hätten ihn wohl besser nicht wieder rausgefischt.«

»Papa …«

»Ich bin noch dran, Gould.



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