Christentum - 50 Fragen - 50 Antworten by Gütersloher Verlagshaus

Christentum - 50 Fragen - 50 Antworten by Gütersloher Verlagshaus

Autor:Gütersloher Verlagshaus
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gütersloher Verlagshaus
veröffentlicht: 2011-04-05T00:00:00+00:00


29. Warum soll man beten?

»Beten ist in der Religion, was Denken in der Philosophie ist.«89 Auch wenn es sich bei dem Aphorismus von Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg alias Novalis (1772 – 1801) um eine starke, durchaus anfechtbare Vereinfachung handelt, streicht der Romantiker zu Recht die zentrale Bedeutung des Betens in den Religionen heraus. Auch für den Religionswissenschaftler Friedrich Heiler (1892 – 1967), der die bis heute umfassendste Untersuchung über Das Gebet (1919) geschrieben hat, »besteht nicht der leiseste Zweifel daran, dass das Gebet das Herz und der Mittelpunkt aller Religion ist. Nicht in den Dogmen und Institutionen, nicht in den Riten und ethischen Idealen, sondern im Beten erfassen wir das eigentlich religiöse Leben.«90 Dem religiösen Menschen sei das Gebet nicht nur »das Alpha und das Omega aller Frömmigkeit«, sondern auch die »selbstverständlichste und notwendigste Lebensäußerung« 91. Mit anderen Worten: Das Gebet ist ein existenzielles Grundbedürfnis, ja eine Grundbetätigung des Menschen.

Im Gebet wendet sich der gläubige Mensch voller Vertrauen an ein transzendentes Wesen – zumeist an eine Gottheit, aber auch an andere höhere Mächte oder Heilige – und bringt sein Leben und Leiden, seine Verzweiflung und Hoffnung, aber auch seinen Dank zur Sprache. Das Beten, das mit bestimmten Körperhaltungen und Gesten (stehend, sitzend oder kniend, mit gefalteten oder ausgestreckten Händen), mit bestimmten Tageszeiten und Anlässen (Tisch- und Abendgebet) verbunden sein kann und sich auch gewisser Hilfsmittel (Rosenkranz) bedient, ist dabei seinem Wesen nach ein dialogisches Geschehen, ein »innerer Herzensverkehr mit Gott« (Friedrich Heiler). »Wo es sich zeigt«, stellt der niederländische Religionshistoriker Gerardus van der Leeuw (1890 – 1950) fest, »ist es eine Anrede des Menschen an den Willen, den er über sich weiß, und die Antwort dieses Willens«.

Das deutsche Wort »Gebet« leitet sich von »Bitte« ab. Und dies nicht ohne Grund. Ist das Bittgebet doch weltweit die natürlichste und am meisten verbreitete Gebetsform. Auch das Christentum macht da keine Ausnahme, obgleich im Neuen Testament noch andere Gebetsformen erwähnt werden, wie der Dank und das Lob oder die verzweifelte, herausgeschrieene Klage, die bereits im Alten Testament vorkommen und mit denen sich die Israeliten an ihren Gott Jahwe wandten. Das Alte Testament kennt dabei noch einen anderen Ausdruck fürs Beten, nämlich »rufen«. In diesem Sinne wird das Gebet zu einem Rufgeschehen und Gott zu einem Hörenden, der dem Menschen zuhört. »Gott hat sein Ohr an deinem Herzen«92, schreibt Aurelius Augustinus (354 – 430) in seiner Erläuterung des 148. Psalms. Ein Gott, der immer, Tag und Nacht zuhört, sodass »der Mensch«, wie Mutter Teresa (1910 – 1997) einmal sagte, »von Gott nie weiter entfernt (sei) als ein Gebet«. Und viele Christen glauben, dass Gott im Gebet durch den Heiligen Geist dem Menschen antwortet, ihm persönliche Eingebungen, zumindest jedoch ein Gefühl des Getröstetseins vermittelt.

Wie, wo, wann und warum man beten soll, diese Fragen beantwortet uns Jesus, der Beter par excellence, selbst. Denn in seinem eigenen Leben spielt das Beten – genauso wie der Glaube – eine herausragende Rolle. Seinen Jüngern, aber auch Außenstehenden tritt er als Lehrmeister des Gebets auf. Für ihn stellt das Gebet nicht weniger als die Quelle dar, aus der er lebt und wirkt.



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