Black Earth: Der Holocaust und warum er sich wiederholen kann by Timothy Snyder

Black Earth: Der Holocaust und warum er sich wiederholen kann by Timothy Snyder

Autor:Timothy Snyder [Snyder, Timothy]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: History, Modern, 20th Century, Holocaust
ISBN: 9783406684159
Google: hsGqCgAAQBAJ
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-10-04T22:00:00+00:00


Aus Bukarester Sicht freilich war diese antijüdische Kampagne eher der Versuch, einen von mehreren Feinden des rumänischen Staates mittels ethnischer Säuberung loszuwerden. Sie wurde in Gebieten durchgeführt, wo das Territorium binnen zwei Jahren zweimal den Besitzer gewechselt hatte und wo man Juden die Schuld an der Niederlage zuschieben, sie zu Sündenböcken für die Kollaboration machen und unter dem Deckmantel des Krieges umbringen konnte. Die rumänischen Machthaber planten zudem, Juden aus dem Zentrum des Landes zu deportieren, das vom Krieg nicht betroffen war, doch das erwies sich als schwierig und wurde letztlich nicht umgesetzt. Diese Juden in Zentralrumänien hatten ihre Bürgerrechte nie verloren, es fehlte der Deckmantel des Krieges, und für den Kommunismus konnte man sie auch nicht verantwortlich machen. Von den rund 280.000 Juden, die infolge der rumänischen Politik ermordet wurden, hatten gut 15.000 in der Vorkriegszeit in Gebieten gelebt, die während des Krieges nicht in fremde Hände fielen. Das war eine durchaus beachtliche Zahl, aber sie machte nur sechs Prozent aller Opfer aus. So wie 97 Prozent der von Deutschland ermordeten Juden außerhalb von Vorkriegsdeutschland gelebt hatten, so hatten 94 Prozent der von Rumänien umgebrachten Juden in Gebieten gelebt, die Rumänien an die UdSSR verloren oder von der UdSSR bekommen hatte.

Die rumänische Judenpolitik, die zuvor in recht enger Kooperation mit den Deutschen erfolgt war, nahm 1942 eine andere Richtung. Berlin wollte, dass die unter rumänischer Kontrolle verbliebenen Juden nach Auschwitz geschickt wurden, aber das geschah nicht. Die Weigerung Bukarests hatte vor allem mit Souveränitätserwägungen zu tun. Rumänien vertrieb und ermordete Juden aufgrund eigener Räsonnements und zu eigenen Zwecken. Die rumänische Führung war empört über die Arroganz der Deutschen, die als Emissäre nach Bukarest kamen, und verärgert darüber, dass sie die eigenen Juden deportieren sollte, während die ungarischen und italienischen Juden, Bürger anderer deutscher Verbündeter, in ihren jeweiligen Heimatländern blieben. Man befürchtete, von der Beseitigung der Juden würden im Grunde nur die deutschstämmigen Bewohner in den Städten Transsylvaniens profitieren, was wiederum den deutschen Einfluss in Rumänien verstärken würde. Vor allem aber waren die Rumänen verstimmt darüber, dass ihr Beitrag zum Krieg an der Ostfront nicht zur Rückgabe Nordtranssylvaniens durch Ungarn geführt hatte.

Die rumänische Politik bestand darin, die Juden als eine Minderheit zu beseitigen, die sich während des Krieges ohne größere politische Folgen ermorden ließ. Mit den veränderten Erwägungen änderte sich auch die Politik. Rumänische Politik war es auch gewesen, die Zigeuner unter dem Deckmantel des Kriegs zu deportieren und zu ermorden. Da dieses Vorgehen eng mit der Judenpolitik verknüpft war, kam es quasi nebenher zum Erliegen. Im Oktober 1942 stellten die Rumänen die eigenen Deportationen ein und beendeten die eigene Mordpolitik sowie alle Diskussionen darüber, Juden nach Auschwitz zu schicken. 1943 versuchte Hitler persönlich, Antonescu zu einem Sinneswandel zu bewegen, doch vergeblich. Hitler argumentierte, Rumäniens künftige Stellung in einem deutschen Europa hänge von seiner jetzigen Haltung gegenüber den Juden ab, Antonescu war der Ansicht, Tausende toter Rumänen bei Stalingrad seien Opfer genug. Statt Juden nach Auschwitz zu schicken, gewährte Bukarest 1943 auch rumänischen Juden im Ausland wieder diplomatischen Schutz. Im



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