Bis zur letzten Luge by Richards Emilie

Bis zur letzten Luge by Richards Emilie

Autor:Richards Emilie
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: MIRA Taschenbuch
veröffentlicht: 2012-09-05T13:51:48+00:00


17. KAPITEL

D ie Krankenstation des Klosters hatte kahle Wände und einen gekachelten Boden. Der Fliesenfußboden wurde jeden Morgen und jeden Abend von einer Novizin des Ordens geschrubbt, auf Händen und Knien und mit wehendem weißen Gewand. Schwester Marie Baptiste hatte Aurore gebeten, nicht mit der Novizin zu sprechen, sie nicht einmal nach ihrem Namen zu fragen. Aurore hatte im Bett gelegen, schweigend die Schmerzen ertragen und sich bemüht, nicht die Dämpfe des Desinfektionsmittels einzuatmen.

Sie hatte keinen Zweifel daran, dass das Teil ihrer Buße war, weil sie schwanger geworden war, ohne verheiratet zu sein. Vor fünf Monaten hatten die Schwestern sie aufgenommen, weil sie ihnen Geld gegeben hatte und weil sie davon überzeugt waren, dass es ihre christliche Pflicht war. Sie hatten ihr ein Zimmer gegeben, Essen und nicht enden wollende Stunden der inneren Einkehr. Aber es hatte keinen Versuch gegeben, ihr Leid zu lindern, als die Wehen gestern eingesetzt hatten. Das war etwas, das Aurore allein durchstehen musste. Und wenn sie große Schmerzen verspürte, dann war das umso besser. War es nicht das Los der Frau, für die Sünden Evas zu sühnen? Und war es nicht Aurores spezielles Los, für Tage in den Wehen zu liegen und dieses Kind auf die Welt zu bringen – ein Kind, das sie weggeben musste?

Aurore schloss die Augen und wünschte sich, sie wäre tot. Der Schmerz war unerbittlich. Es gab keinen Moment, in dem sie in den Schlaf flüchten konnte. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Im Zimmer gab es keine Fenster, die ihr einen Blick nach draußen erlaubt hätten, um abzuschätzen, wie spät es war. Man hatte ihr verboten, während sie in den Wehen lag, zu essen oder zu trinken, also gab es auch keine Mahlzeiten, die ihr die Tageszeit verraten hätten. Die Schwestern, die nach ihr sahen, kamen und gingen, ohne zu reden. Als sie um Bestärkung bat, sagten sie ihr, dass das Kind noch nicht bereit war zu kommen.

Étienne hatte ihr das angetan. Er hatte ihr die Jungfräulichkeit genommen, den Reichtum, den Vater, die Jugend. Er hatte sie mit seinem Kind alleingelassen, das er mit seinem Blut stigmatisiert hatte, sodass sie es, selbst wenn es ihr Wunsch gewesen wäre, nicht hätte behalten können. Jetzt kämpfte sie gequält darum, noch ein Leben auf diese Welt zu bringen, das mit unvorstellbaren Hindernissen würde zurechtkommen müssen.

Außer das Kind zeigte keine Hinweise auf seine Herkunft, seine Wurzeln.

Schweiß tränkte das Laken, und trotz der Warnung der letzten Schwester schob sie die Decke zurück, unter der sie lag. Schon unter den besten Bedingungen war der fensterlose Raum nur schwer zu ertragen. Im August jedoch war es die reinste Hölle – die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit waren so hoch, dass das Wasser in der Luft hing, wenn sie aufschrie, und ihr den Atem raubte.

Vor Monaten hatte Cleo sie an einen anderen Ort gebracht, einen Ort, an dem Kakerlaken wie kleine Vögel von Ecke zu Ecke flogen und Spinnweben von den getrockneten Kräutern hingen. Aurore lag auf einer Pritsche, der beißende Geruch der Engelmacherin stieg ihr in die Nase. In



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