Baltische Lebenswege Neue Folge by Arne Mentzendorff

Baltische Lebenswege Neue Folge by Arne Mentzendorff

Autor:Arne Mentzendorff [Mentzendorff, Arne]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand GmbH
veröffentlicht: 2017-03-14T23:00:00+00:00


21. Gestalten aus der Vergangenheit

Er war junger Student und gerade ein paar Jahre verheiratet, als er erlebte, was Krieg und Besatzung bedeutete. Eines Abends begann eine Welle von Bombenangriffen auf seine Heimatstadt. Als er nach der Entwarnung aus dem Luftschutzraum kam und auf die Straße trat, sah er, „wie der Turmhelm der Nikolaikirche auf das Hauptschiff sank“. Bei einem weiteren Angriff wurde sein Wohnhaus zerstört: „Das Haus war bis auf die Grundmauern abgebrannt. Wir traten bis an den Rand der Mauer. Der Wind machte die durch den Fußboden in die Kellerecke gesunkenen verbogenen Klaviersaiten schwingen.“

Einige Wochen später wurde er verhaftet. Er musste sich eine quadratische Zelle, die 2,20 Meter lang und breit war, mit vier anderen Häftlingen teilen. „Mein Schlaflager bekam ich auf dem Fußboden, den Kopf an den Kasten gelehnt, der das Klosett bedeckte und daraus einen üblichen Sitz machte als Stütze für den Hintern.“

Drei der Zellengenossen waren zum Tode verurteilt worden und warteten auf die Antwort auf ihr Gnadengesuch. Er selbst kam nach vier Monaten frei. Eine neue Besatzungsmacht kam, die zunächst seinen Vater verhaftete. Dieser wurde in ein Gefangenenlager verschickt, von dem er nicht wieder zurückkehrte. Gut ein Jahr nach der Verhaftung des Vaters ereilte den Sohn das Schicksal.

Der 25-Jährige war auf dem Heimweg von der Hochschule. „Zwischen der Pforte der Kirche und dem Haus des Generals traten mir zwei Männer entgegen. Einer versperrte mir den Weg und der andere ergriff meine Mappe.“ Ob er eine Waffe habe, wurde er gefragt. Als er verneinte, wurde er aufgefordert, in die „Abteilung“ zu kommen, damit kontrolliert werden könne, ob er an einem Einbruch in einen Lebensmittelladen teilgenommen habe.

Vor dieser Untersuchung wurde er in eine „Box“ gesteckt, eine „winzige Kammer mit einer Bodenfläche von ungefähr einem Quadratmeter, in die der Häftling vorläufig ‚abgestellt‘ wurde. Wobei dieses ‚vorläufig‘ ein paar Stunden bis zu einigen Tagen dauern konnte.“ Nach dem ersten Verhör wurde ihm eine Zelle zugewiesen. Es folgten fast jede Nacht Verhöre.

Über anderthalb Jahre später „kam, was kommen musste, was aber inzwischen ausgesehen hatte, als ob es nie eintreffen würde.“ Mit drei oder vier anderen wurde er auf den Korridor beordert, und „eine völlig unbefangene Rotznase, das halbe Kinn mit Bartstoppeln bedeckt, die Uniformbluse nicht zugeknöpft, begann uns unsere Urteile vorzulesen.“ Er erhielt fünf Jahre Arbeits- und Erziehungslager wegen Landesverrats. Es wurden schließlich acht Jahre, die er in Russland am Polarkreis verbrachte. Da er groß gewachsen war, blieb ihm Arbeit im Bergwerk erspart. Zu seinen Aufgaben gehörte, abgebrochene Äste aufzusammeln, Holzbalken in eine Sägemühle zu befördern sowie Filzstiefel zu trocknen.

In der Verbannung traf er eine Frau, die ebenso wie seine daheimgebliebene Ehefrau Helga hieß und die er schon früher in der Heimat kennengelernt hatte. Der Grund, dass sie hierher geschickt wurde, war eine groteske Anschuldigung. Sie war im historischen Museum tätig und wurde mit Kollegen zusammen festgenommen – weil sie gemeinsam eine englische Intervention vorbereitet haben sollen, und zwar mithilfe der im Museum ausgestellten mittelalterlichen Waffen.

In Sibirien bezog er mit Helga ein kleines Häuschen, das nicht viel mehr als 20 Quadratmeter



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.