Aus den Ruinen des Empires: Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens (German Edition) by Mishra Pankaj

Autor:Mishra, Pankaj [Mishra, Pankaj]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104027463
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2014-05-06T04:00:00+00:00

Das Zeitalter der kaiserlichen Dynastien ging seinem Ende entgegen, aber die Zukunft schien noch düsterer als zuvor. China war nicht das einzige Land, dem es nicht gelang, kurz nach der Zerschlagung der alten Ordnung einen lebensfähigen neuen demokratischen Staat aufzubauen. Auch die Türkei und der Iran erlitten dieses Schicksal und erlebten wenig später den Aufstieg autokratischer Regime. Wie in diesen beiden Ländern, so hatte die Modernisierung des Militärs auch in China zu einer internen Machtverschiebung geführt und Männer in Führungspositionen gebracht, die ihre Ausbildung an modernen Militärakademien erhalten hatten: militärische Machthaber, die andere Männer durch Ideale wie Disziplin, Pflicht und Opferbereitschaft zu binden vermochten. Statt aus der Beherrschung der konfuzianischen Klassiker leitete sich die Macht nun aus den Gewehrläufen ab, wie Mao Zedong, der die Brutalitäten der Warlord-Zeit in seiner Heimat beobachtet hatte, 1927 anmerkte. Der Hinweis auf das Chaos dieser Jahre sollte bis in unsere Zeit hinein zur Rechtfertigung autoritärer Regierungen dienen.

Auch für Liang Qichao blieb Yuans Scheitern nicht folgenlos. Als Lehrer im japanischen Exil hatte er großes Ansehen genossen. Einige seiner Schützlinge waren im republikanischen China in hohe Machtpositionen gelangt und beteiligten sich an den Faktionskämpfen, die das Land verheerten. Liang, der bereits begonnen hatte, seine Botschaft eher an mächtige Persönlichkeiten innerhalb des Staates als an Studenten zu richten, stellte sich an ihre Seite und erhielt Ministerämter in der neuen Regierung in Beijing.

Er verhandelte hart mit seinen einstigen Gastgebern, den Japanern, über deren unvernünftige Forderungen. Er setzte sich 1917 auch erfolgreich für einen Kriegseintritt Chinas ein, weil er der Ansicht war, auf der Seite der Sieger könne China am ehesten Zugang zum internationalen System finden, die »Ungleichen Verträge« auflösen, die das Land immer noch banden, und die Halbinsel Shandong von den Japanern zurückgewinnen. Im Rahmen der von ihm ausgehandelten Abmachung mit den Alliierten reisten chinesische Arbeiter und Studenten, darunter kommunistische Führer der ersten Generation wie Zhou Enlai und Deng Xiaoping, nach Frankreich, um dort zu arbeiten und zu studieren.

Dennoch erwies sich Liangs politische Laufbahn als Desaster. Nach 15 Jahren im Exil hatte er sich in China in den Tumult der Nach-Qing-Ära gestürzt, um dann festzustellen, dass er sich durch politisch vorteilhafte Verbindungen mit korrupten und gewalttätigen Warlords zutiefst kompromittiert hatte. Einer der zahlreichen heftigen Ausschläge des politischen Pendels der Nach-Yuan-Ära kostete ihn schließlich seine Ämter, und er war gezwungen, sich aus der aktiven Politik zurückzuziehen. Eine jüngere Generation trat nun in den Vordergrund und baute auf jenem Fundament auf, das seine Ideen gelegt hatten.

Die Revolution von 1911 war in mehrfacher Hinsicht ein grausamer Fehlschlag, aber es gelang ihr mit großem Erfolg, alte Vorstellungen zu vernichten. Für immer vergangen war die Unantastbarkeit der kaiserlichen Dynastien samt dem jahrtausendealten Ansehen des Beamtenadels und der klassischen Bildung. Durch die Zerstörung des Alten schuf die Revolution einen neuen politischen und intellektuellen Raum, in dem nun junge Chinesen hervortraten, die durch die brutalen Enttäuschungen von 1911 radikalisiert worden waren.

Das Schauspiel der totalen sozialen und politischen Zersplitterung zwang selbst liberale Denker wie Yan Fu zu dem Eingeständnis, dass der Konfuzianismus als Staatsreligion möglicherweise eine bindende Kraft darstellen konnte.

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