April by Klüssendorf Angelika

April by Klüssendorf Angelika

Autor:Klüssendorf, Angelika
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-30768-9
Herausgeber: eBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2014-04-02T16:00:00+00:00


April bereitet sich auf die erste Überprüfung ihres Arbeitsplatzes vor. Wie benimmt sich jemand, der nicht ganz richtig im Kopf ist? Was muss sie tun, damit sie weiter im Museum arbeiten darf? Sie flitzt über die langen Korridore, schlägt Rad, verharrt Ewigkeiten im Handstand an der Wand. Sie starrt ihr Gegenüber fragend an, als wüsste sie nicht mehr, wer da vor ihr steht. Ihre Freunde im Museum wissen Bescheid, die anderen Kollegen reagieren betreten oder schauen weg, wenn sie sich wie eine Irre aufführt. Doch es hätte dieser Vorbereitungen gar nicht bedurft: Die Kontrolleurin, eine ältere Frau, mit beachtlicher Kinnwarze, möchte nur wissen, warum April ihre Kollegen so großzügig mit Spitznamen bedacht hat. Die Frau verzieht keine Miene, als April ihr erklärt, dass der Kollege aus der Tischlerei nach Schweiß stinkt und sie ihn deswegen Atoll nennt, nach dem Deo. Der Überstudierte aus dem Magazin schwebt wie ein Wüstenschiff an ihr vorbei, deshalb ruft sie ihn Kamel, und ihre Chefin ist die Sanfte, weil sie an eine Figur von Dostojewski erinnert. April kann den Blick nicht von der Warze nehmen, sie möchte sie der Frau einfach aus dem Gesicht pflücken und wegschnipsen.

Alles in Ordnung, fragt die Frau.

April nickt. Alles ist in Ordnung, in allerbester Ordnung.

Du hast eine gute Idiotin abgegeben, sagt Silvester, Prüfung bestanden. Es hat dir ja richtig Spaß gemacht, und du hast kein einziges Mal Hans gesagt.

Als am nächsten Tag im Vorführsaal des Museums ein Treffen der Parteifunktionäre stattfindet, die sich einen Film über den Klassenfeind ansehen, kommt April auf die Idee, für einen Kurzschluss im Sicherungskasten zu sorgen. Als es im Saal dunkel wird, entsteht ein großes Durcheinander, laute, verwirrte Rufe schallen durch die Gegend, und April beobachtet alles wie einen gelungenen Streich. Sie feilt an ihren vermeintlichen Macken, schafft es sogar, auf Händen durch den Korridor zu laufen, im Anwesenheitsbuch hinterlässt sie statt Uhrzeit und Unterschrift lustige Zeichnungen. Bei der Feier einer Gruppe von Parteimitgliedern zerstört sie die mit Friedenstauben bedruckten Luftballons, blitzschnell sticht sie mit einer Nadel einen nach dem anderen ab, es dauert jeweils nur ein, zwei Sekunden, doch ihr kommt es unendlich lang vor. Die Feiernden reagieren zuerst verblüfft, dann wütend, als hätte April ihre Würde verletzt. Sie muss Silvester immer wieder erzählen, wie es knallte und die Funktionäre völlig schafsköpfig dastanden, in der Hand den Stock mit dem zerfetzten Gummi. Niemand stellt sie deswegen zur Rede. Doch als sie einmal im Sekretariat Zettel mit einem Spendenaufruf für einen jungen Kollegen verteilt, der seinen Armeedienst absitzen muss, wird sie einbestellt.

Setz dich, sagt die Kollegin, die April zu sich ins Büro zitiert hat, und rückt ihr einen Stuhl am Tisch zurecht. Dann teilt sie ihr mit, dass sie einen Verweis erhält, weil sie die Ehre der Nationalen Volksarmee beschmutzt habe.

Das ist doch nicht nötig, versucht April zu scherzen, als wären ihr drei Stück Kuchen auf einmal angeboten worden.

Die Kollegin schweigt.

Wir sind unter uns, du kannst mir den Verweis geben, aber du kannst auch ruhig zugeben, dass es Schwachsinn ist.

Ihre Kollegin macht eine abwehrende Geste. Es muss sein, sagt sie, ich stehe dazu.



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