Amerika verstehen by Gerste Ronald D

Autor:Gerste, Ronald D. [Gerste, Ronald D.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Amerika, USA, Weltmacht, Donald Trump, Gesellschaft, Geschichte, Nordamerika, amerikanische Präsidenten, amerikane Gesellschaft, Zeitgeschichte, Krieg, Kultur, Kulturgeschichte, westliche Welt, Politik, Staat, Sozialwissenschaft
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2017-02-01T23:00:00+00:00

5. Patriotismus und Exzeptionalismus: America can’t do wrong!

Er ist wieder da. Nein, eigentlich passt der Titel dieses Bucherfolges von Timur Vermes nicht so ganz. Er war nämlich nie weg. Die flimmernden Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die seine abrupten Bewegungen zeigen, manche untermalt mit dem O-Ton, dem selbst viele des Deutschen mächtige Amerikaner wegen des grässlichen Dialektes nicht zu folgen vermögen – sie sind feste Größen auf jenen Fernsehkanälen, die gelegentlich oder, wie mehrere History-Kanäle, fast ausschließlich zeitgeschichtliche Dokumentationen bringen. Gerade läuft eine neue sechsteilige Biographie-Serie an, der Titel ist prägnant und sagt alles aus: Hitler. Wie stets bei solchen Premieren erfolgt der Serienstart mit dem werbewirksamen Hinweis, die Doku enthalte nie zuvor gesehenes Filmmaterial – was die Frage aufwirft, ob nicht irgendwann selbst der letzte 8-mm- oder 16-mm-Schnipsel vom Obersalzberg seinen Weg ins amerikanische Fernsehen gefunden hat. Mit den abzusehenden stetigen Wiederholungen wird auch dieses neue Produkt sich in das Programmangebot vor allem des Military History Channels, des American Heroes Channels und vergleichbarer Kanäle einfügen, in deren Titelabfolge die Begriffe »Nazi« und »Hitler« sich manchmal über einen kompletten 24-Stunden-Sendetag zu erstrecken scheinen.

Neben dem Unsäglichen selbst sind auch seine Zeitgenossen, die Nazis, in der amerikanischen Medienlandschaft und regelmäßig auch in der Unterhaltungsindustrie präsent. Parallel zum jüngsten Hitler-Serienstart kommt der dritte Spielfilm innerhalb kurzer Zeit in die Kinos, in dem Brad Pitt in den ihm zur Verfügung stehenden rund zwei Stunden so viele Deutsche wie möglich zu töten versucht, nach Inglourious Basterds und Herz aus Stahl nun also Allied. Dass der Terminus »Nazi« für alle Deutschen gilt, die zwischen 1933 und 1945 im Erwachsenenalter standen, hat eine lange Tradition in Hollywood. In der Traumfabrik fühlten sich in den späten 1930er und frühen 1940er Jahren zahlreiche Produzenten der Politik Präsident Franklin D. Roosevelts eng verbunden, der – wie wir in einem früheren Kapitel gesehen haben – in Hitlers Regime früher als andere westliche Staatsmänner die Gefahr erkannte, die es für den Weltfrieden darstellte. Unter Roosevelt und Hollywood begann die Synonymisierung der Begriffe German und »Nazi« – was psychologisch wohl als erforderlich angesehen wurde, um jenen totalen Krieg, auch gegen die Zivilbevölkerung, führen zu können, der sich nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 entwickelte. Nach dieser Wendemarke schwand natürlich jedwede Zurückhaltung, Major Strasser war quasi omnipräsent im zeitgenössischen Film. Selbst Donald Duck wurde in den Dienst der Propaganda für die Sache der freien Welt gestellt, als Walt Disney 1943 den Kurzfilm Der Fuehrer’s Face produzierte. Der Enterich muss nach der Lektüre von Mein Kampf in einer Munitionsfabrik arbeiten, nach allerlei explosionsartigen Wirrungen wacht er schließlich im heimischen Bett auf, bekleidet mit dem Stars-and-Stripes-Pyjama. Es ist der einzige Donald-Duck-Streifen, in dem der sonst nur quakende Anti-Held einen kompletten Satz spricht: Boy, am I glad to be a citizen of the United States of America!

Deutsche als Film-Bösewichte haben in der US-Unterhaltungsindustrie auch Jahrzehnte nach Kriegsende weiterhin Hochkonjunktur – man denke zum Beispiel an die Darstellung des Terroristenchefs Gruber in Stirb langsam, gespielt von dem großen und leider zu früh verstorbenen Schauspieler Alan Rickman. Oder an all die Schwarzuniformierten in zwei der Indiana-Jones-Filme.

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