Alraune : Die Geschichte eines lebenden Wesens by Hanns Heinz Ewers

Alraune : Die Geschichte eines lebenden Wesens by Hanns Heinz Ewers

Autor:Hanns Heinz Ewers [Ewers, Hanns Heinz]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Georg Müller
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Jeden Abend ritt Wölfchen hinaus nach Lendenich, seit Alraune zurück war. Dr. Mohnen hatte ihm ein Pferd besorgt, das ihm sein Freund, der Rittmeister Graf Geroldingen, zur Verfügung stellte. Auch Tanzen und Fechten hatte den Jungen sein Mentor lernen lassen. Das müsse ein Mann von Welt, erklärte er, und erzählte von wilden Ritten, siegreichen Mensuren und grossen Erfolgen im Ballsaal, obwohl er selbst nie einen Gaul erklettert, nie vor dem langen Messer gestanden hatte und kaum eine Polka hüpfen konnte.

Wolf Gontram brachte des Grafen Pferd in den Stall, dann ging er über den Hof zum Herrenhaus. Eine Rose brachte er, nie mehr wie eine, so hatte ihn Dr. Mohnen belehrt, aber es war stets die schönste, die es gab in der Stadt.

Alraune ten Brinken nahm seine Rose und begann sie langsam zu zerzupfen. Jeden Abend war es so. Sie kniff die Blätter zusammen, machte kleine Blasen und zerschlug sie knallend auf seiner Stirn und an seinen Wangen. Das war die Gunst, die sie ihm gewährte.

Er verlangte nichts anderes. Er träumte – aber nicht einmal zu Wünschen dichteten sich diese Träume. Woben rings in der Luft, füllten die alten Räume, wie herrenlose Sehnsüchte.

Wie ein Schatten folgte Wolf Gontram dem seltsamen Wesen, das er liebte.

Wölfchen nannte sie ihn, wie sie als Kind getan. »Weil du so ein grosser Hund bist,« erklärte sie, »so ein gutes, dummes und treues Tier. Schwarz und langzottig und sehr schön, und mit tiefen treuen Frageaugen. – Darum! Weil du zu nichts gut bist, Wölfchen, als hinterdrein zu laufen, irgendein Täschchen nachzutragen.«

Und sie hiess ihn sich niederlegen vor ihrem Sessel, setzte die Füsschen leicht auf seine Brust. Strich ihm über die Wangen mit den kleinen Wildlederschuhen; warf sie dann fort, bohrte die Spitzen ihrer Zehen zwischen seine Lippen.

»Küss, küss!« lachte sie.

Dann küsste er ringsherum den feinen Seidenstrumpf, der ihren Fuss umschloss.



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