Allein in der Wildnis by LaBastille Anne

Allein in der Wildnis by LaBastille Anne

Autor:LaBastille, Anne [LaBastille, Anne]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-12-03T00:00:00+00:00


Unser Wasser ist unglaublich rein. Ich trinke bei uns in den Bergen aus praktisch jedem Bach und See, außer in unmittelbarer Nähe menschlicher Ansiedlungen oder stromabwärts von Ortschaften und vielbesuchten Seen. Das ist in unserem dichtbevölkerten, umweltverschmutzten Nordosten und auf der Atlantischen Küstenebene eine große Seltenheit. Oft stelle ich mir im Geist die Ostküste als Reliefkarte vor, auf der alle Gebiete, in denen es verschmutztes Wasser gibt, giftbraun eingetragen sind. Dann blieben als nichtbraune Flecken nur die Adirondacks (hauptsächlich über fünfhundert Meter), ein paar Spitzen der Catskill Mountains, Nordmaine und die höchsten Stellen der Green Mountains, White Mountains und der Appalachen übrig. Überall sonst leben die Menschen an verdreckten Gewässern und kennen das Privileg überhaupt nicht mehr, so zu trinken, wie von der Natur gewollt. Für ein paar Liter reines Quellwasser müssen sie bis zu einem Dollar zahlen!

Der Wasserreichtum der Adirondacks ermöglichte und begünstige den Bau des berühmten Erie-Kanals. Im frühen neunzehnten Jahrhundert galt das Kanalsystem des Staates New York als größte technische Bauleistung, die die USA aufzuweisen hatten. Kanäle, die Verkehrsschlagadern der damaligen Zeit, erschlossen die Wildnis des Nordteils von New York und erleichterten den Zugang zum Ohio- und Mississippi-Tal und den Großen Seen. Kanäle halfen Weizenanbau und Milchwirtschaft entwickeln und Märkte für Bodenschätze und Holz aufbauen. Besonders der Erie-, Black River- und Champlain-Kanal ermöglichten es, in den Adirondacks mehr Holz einzuschlagen und mehr Land zu besiedeln.

Dabei war das Wasser von vitaler Bedeutung. Es war das Lebensblut des Erie-Kanals. Sank der Wasserpegel, sanken auch die Verkehrs- und Wirtschaftsleistungen. Da die Adirondacks reich an Seen waren, ging man daran, dieses umfangreiche Reservoir anzuzapfen. Zwischen 1880 und 1888 wurde — allein mit Handarbeit und Pferdekraft — eine Reihe von Wasserzuführungskanälen, Dämmen und Staubecken angelegt, manche an fast unzugänglichen Punkten.

Noch viel grandiosere Pläne, die unter anderem die Umleitung des Wassers ganzer Einzugsgebiete vorsahen, wurden ausgearbeitet. So wollte man das zum Sankt-Lorenz-Strom abfließende Wasser in den Hudson umdirigieren, da die beiden Einzugsgebiete an der Wasserscheide beim Grassy Pond nur siebenhundert Meter auseinanderlagen! Die Techniker versprachen sich davon eine reiche Wasserversorgung für den Champlain- und Erie-Kanal. Zwar fand der Vorschlag viele Freunde und wurde staatlicherseits mehrmals geprüft, jedoch nie verwirklicht. Zum Glück. Denn ein so starker Eingriff in den Wasserhaushalt hätte schwere ökologische Schäden anrichten können.

Heute sind der alte Erie-Kanal und der alte Black River-Kanal weitgehend aufgegeben. Nur ein kurzes Stück zwischen Rome und Syracuse ist noch mit dem Kanu befahrbar. Statt dessen trägt der New York Thru-way unsere Personenwagen, Lastwagen und Busse, flankiert von Bahngleisen und dem modernen Binnenschifffahrtsweg. Früher sechs Wochen anstrengende Postkutschenfahrt, später zehn Tage mit dem Schiff über den Hudson River und Erie-Kanal, heute acht Stunden mit dem Auto — so hat sich die Reisezeit zwischen New York City und Buffalo verkürzt. Das Wasser der Adirondacks hat bei der Verkehrserschließung dieses Bundesstaates seine Rolle gespielt. Und doch kann ich mich, wenn ich am Ufer verlandeter Zuführungskanäle entlangstreife, einen rostigen Eisenbolzen aufhebe und verwittertes Mauerwerk berühre, des Gedankens nicht erwehren, daß Menschenwerk — wie ein Sommertag — nur allzu kurze Lebensdauer hat.



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