Adoptivkinder fordern uns heraus by Lutz Christiane

Adoptivkinder fordern uns heraus by Lutz Christiane

Autor:Lutz, Christiane
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2014-01-01T00:00:00+00:00


Leibliche und adoptierte Kinder in einer Familie

Eine dritte Form geschwisterlicher Zusammengehörigkeit, die vielleicht das größte Konfliktpotential in sich schließt, ist die familiäre Gemeinsamkeit von leiblichen und adoptierten Kindern.

Längst nicht immer steht Eltern ihr leibliches Kind näher. Ein Grund kann ein karitativer Impuls sein. So berichtete eine Mutter: »Eigentlich hätte ich gern einen kleinen Jungen adoptiert nach einer leiblichen Tochter, die ich in die Ehe mitgebracht habe. Aber dann entdeckte ich im Kinderheim diese kleine Zweijährige. Sie sah so jämmerlich aus, verschnupft und unansehnlich. Da dachte ich, dass dieses Kind bestimmt niemand haben wollte. Darum haben wir uns zur Adoption dieses bemitleidenswerten kleinen Dings entschlossen und wir haben es nicht bereut. Sie ist uns eine richtige Herzensfreude und wir bekommen unser Engagement hundertfach zurück. Meine eigene Tochter ist mir viel fremder. Wir sind uns so wenig ähnlich. Manchmal habe ich ein Gefühl, als ob eine Wand zwischen uns wäre …«

Wahlverwandtschaften können in der Tat häufig engere emotionale Nähe erlauben als Blutsverwandtschaften.

»Bei uns hat es einfach ein zweites Mal nicht geklappt, da haben wir uns für die Adoption einer Tochter aus der Ukraine entschlossen. Sie ist hellblond und blauäugig, so dass unsere Kinder häufig für leibliche Geschwister gehalten werden, aber zwischen beiden besteht eine extreme Rivalität. Unser Sohn hat das Gefühl, entthront zu sein. Als ob er in seiner Person oder in seinem Verhalten weniger wertvoll gewesen sei! Unsere Tochter dagegen hat die ständige Sorge, weniger geliebt zu sein als der ältere Bruder, gerade wenn er seinen Status als leibliches Kind herauskehrt. Leider verstummt unsere Tochter dann, statt sich zu behaupten, und zieht sich bedrückt zurück. Unser Sohn spielt sich in seiner dramatischen Vorwurfshaltung immer wieder in den Mittelpunkt. Damit muss sich ihre Befürchtung bestätigen, weniger beachtet zu werden. Dabei liegt mir ihre eher introvertierte Haltung viel mehr«, so die Mutter. »Ich kann mit ihr Gespräche führen, die mit meinem Sohn nie möglich waren. Ich hoffe, dass bei unserer Tochter das Selbstbewusstsein noch wachsen wird, so dass sie ihrem Bruder besser Stand halten kann.«

Kinder gleich zu behandeln, ist objektiv und subjektiv kaum möglich. Der Anspruch, sie gleichermaßen zu lieben, wird häufig zum Überanspruch. Auch Adoptivkinder, so sehr sie gewollt waren, können, ebenso wie leibliche Kinder, in schwierigen Entwicklungsphasen zu kleinen oder größeren Monstern werden. Glücklicherweise ändern sich Gefühle immer wieder, je nach Tagesbefindlichkeit, der eigenen Belastbarkeit, der eigenen Stimmungslage. Beziehung ist eine lebendige Interaktion zwischen unterschiedlichen Menschen, jüngeren und älteren. Als Menschen sind wir nicht vollkommen, darum werden Zuneigung und Abneigung in bunter Reihenfolge den Erziehungs- und Beziehungsalltag bestimmen.



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