Ach du Liebesglück by Steffan Kristina

Ach du Liebesglück by Steffan Kristina

Autor:Steffan, Kristina
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Diana, 2015
veröffentlicht: 2015-04-23T16:00:00+00:00


19

Und dann ist endlich Freitag, und die ersten Gäste kommen. Mit ihnen kommt der große Regen. Ein Regen, bei dem uns schon nach den ersten vom Himmel stürzenden Tropfen klar wird, dass er in die Geschichte eingehen könnte. Wir stehen als Empfangskomitee vor dem Haus. »Wir« sind mein Papa, Tom, unser Bürgermeister Manfred, Annegret und Klara, die extra für diesen Anlass angereist ist. In weniger als einer Minute sind wir allesamt pudelnass. Unsere Gäste bleiben vorerst im Auto sitzen und betrachten uns aus dem Trockenen heraus. Manchmal winken sie, und wir winken tropfend zurück.

»Wie ärgerlich«, gurgelt Manfred, während ihm der Regen über das Gesicht läuft. »Wochenlang heißer Sonnenschein, und dann das. Kein Mensch eröffnet seine Pension in der Nebensaison.«

»Jaaha!«, sage ich in die herabstürzenden Wassermassen hinein. Wir bleiben einfach stehen. Unbeugsame Norddeutsche, die wir nun mal sind. Wir kennen uns aus mit Regen. Deswegen gab es auch kein hektisches Gerenne, um bei den ersten Tropfen Schutz zu suchen. Der Regen kam zu schnell. Wir waren chancenlos.

Nachdem er auch zehn Minuten später nichts von seiner Intensität eingebüßt hat, holen wir Günther-Abwehrschirme und bilden so ein Regenschirmspalier für unsere Gäste. Die sind trotz des Wetters zum Glück ganz gut drauf und folgen mir in die neue Gästewohnung, die wirklich aussieht wie in einem Wohnmagazin. Ich habe die ganze Nacht noch das Bett geglättet, Blumen verteilt, Äpfel in Schüsseln arrangiert und zu guter Letzt ein buntes Bild meines Vaters aufgehängt. Eins, auf dem sich nicht auf den ersten Blick seelische Abgründe offenbaren.

Ich bin richtig stolz, als meine Gäste ihre Koffer abstellen und sich umsehen.

»Wie hübsch!«, sagt Mama-Gast.

»Mh!«, brummt Papa-Gast.

»Jaaaah!«, kreischt Kind-Gast und springt volle Kanne auf das liebevoll geglättete Bett. Mama und Papa-Gast lachen gutmütig. Ich möchte Kind-Gast gerne vom Bett zerren und in den Regen stellen, sehe aber davon ab. Stattdessen frage ich, wann am nächsten Morgen das Frühstück bereitstehen soll, und ziehe mich, als Kind-Gast beginnt, die liebevoll zusammengestellte Spielesammlung durch die Gegend zu schmeißen, zurück.

Es regnet weiter. Unser Hof verwandelt sich in eine Schlammlandschaft. Holly weigert sich das Haus zu verlassen, und macht Pipi auf meinen guten Teppich im Flur. Der Sommer ist schlagartig vorbei, und meine Gäste bekommen eine Nordsee-Depression. Zwanghaft suchen sie nach einer Unterhaltungsmöglichkeit, die sich in Häusern abspielt. Leider sind ihnen Cafés und Museen zu langweilig, weswegen ich mir schon einen Wolf gegoogelt habe. Außerdem haben sie nur T-Shirts und Flipflops mit und frieren. Bei dem Versuch, einen Sicherheitshinweis auf meiner Homepage zu installieren (»Liebe Gäste, bitte bedenken Sie, dass es auch in den Sommermonaten am Meer mal etwas kühler sein kann, und bringen Sie ausreichend warme Kleidung mit!«), stürzt ebenselbe ab und vertauscht alle Texte und Bilder. Der Fehler ist nicht zu beheben, schon gar nicht durch mich.

Günther, der jetzt den größten Teil seines Daseins im Obstgarten oder in der Scheune ausharren muss, entwickelt ebenfalls eine Depression und fängt an, sich die Federn zu rupfen und seinen Harem anzugiften.

Nur meine Hühner sind gut drauf. Wie immer. Die sitzen ja im Trockenen. Ich geselle mich dazu und zünde mir eine Zigarette an.



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