1948 - Roman by Aufbau

1948 - Roman by Aufbau

Autor:Aufbau [Aufbau]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
veröffentlicht: 2014-10-26T00:00:00+00:00


12

Bet Yuba – ein Phantasiename (und aus Taktgefühl und wegen meiner Zuneigung zu dem Mann, von dem ich jetzt erzählen möchte, ändere ich auch seinen Namen und nenne ihn N.). Das Dorf hatte etwas ungeheuer Sanftes, lag inmitten einer erez-israelischen Landschaft, wie es sie heute so nicht mehr gibt, auf einem Bergkamm im Schatten junger Tamarisken, ausladender Jujuben und dichter Zypressen. Es war ein Dorf, das in seiner Geschichte harte Kämpfe gesehen hatte, doch die waren nun vorbei. Unseren Kampf dort hatten wir – anders als die Römer und die Kreuzritter, die letzten Endes aus unserem Land verduftet waren – sehr wohl gewonnen.

Ein Kamerad, den ich kannte, ohne mich an seinen Namen erinnern zu können, hing an einem Baum aufgeknüpft – zerstückelt, mit Bindfaden zusammengebunden und den Penis im Mund. N. verharrte vor seinem misshandelten Freund, und seine Miene verfinsterte sich. Sein dickes Haar stand vor Dreck, seine Kleidung war zerrissen, der eine Schuh hatte eine andere Farbe als der zweite, denn sie stammten von zwei verschiedenen Toten, und er hatte wohl aufgeschrien, aber wir hatten es nicht gehört, waren vielleicht schon ins Dorf einmarschiert und rasteten im Schatten eines Hauses unter einem Feigenbaum, um Stens und Gewehre zu reinigen, oder suchten arabische Schallplatten zum Mitnehmen. Oder wir hatten die Schreie doch gehört, uns aber nicht groß darum geschert.

Wir hatten ja vorher den Berg erstiegen und dabei gesungen: »Wir ziehen hinauf und schießen«, und einer mit Megaphon hatte die Araber aufgerufen, das Dorf zu räumen. Die Anführer, die uns ausgeschickt hatten, waren nicht dabei. Sie schliefen wohl in der Pension im Haus Pfeffermann am Weg zum Kibbuz Maale Hachamischa oder hörten sich die Schallplatten an, die wir vor ein paar Tagen vorbeigebracht hatten.

Im Hintergrund ragte Jerusalem aus dem Nebel, der die ganze Bergkuppe umhüllte. In dem großen Haus, an dem wir lagerten, sahen wir einen alten Araber im Schneidersitz auf einer zerrissenen Wolldecke sitzen und mit seiner Abaya einen fliegenumschwirrten Leichnam abdecken. In seinen Augen blitzte ein kleines Lächeln, eine Art schmerzliche und provozierende Geringschätzung. Vielleicht fühlte er sich auch einfach verraten von seinen prächtig gekleideten Anführern, die sich als große Helden aufspielten, aber längst geflohen waren, um ihr Leben zu retten. Er war wohl ein einzelner Mann, der den Krieg durch abschätziges Lächeln gewinnen wollte. N. schrie: Man muss alle in diesem Dorf umbringen, sogar die Katzen hier sind Araber. Das Lächeln des Arabers verstörte ihn sichtlich. Ansonsten sahen wir nicht viel außer dem Leichnam am Boden, den eine Kugel niedergestreckt hatte.

N. ging wieder zu dem Erhängten, verjagte die Krähen, die sich krächzend um den Baum zu scharen begannen, und betrachtete lange den jungen Mann, der sein guter Freund gewesen war und nun an einem Ast hing, den Penis im Mund. Er zog ihm die Schuhe aus, probierte sie an, und der Araber, der im Schneidersitz gesessen hatte, sprang auf und rannte davon. N. packte die Schuhe und schleuderte sie nach den Krähen, die dick und satt von einem Gefecht anflatterten, das irgendwo in der Nähe tobte und mit seinen Rauchschwaden ahnen ließ, dass auch dort gestorben wurde.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.